- Von Lorenz Klein
- 31.08.2023 um 16:38
Man soll sich ja tunlichst vor Verallgemeinerungen hüten, aber diese Ferndiagnose muss jetzt mal so gestellt werden: Den Deutschen geht es nicht sonderlich gut. Das legen zahlreiche Studien nahe – so auch die repräsentative Online-Umfrage „Mental Health Report“ im Auftrag des Versicherers Axa. Danach gibt rund jeder dritte Bundesbürger an, derzeit unter einer mentalen Erkrankung zu leiden. Im Vergleich mit weiteren untersuchten Ländern aus Europa liegen Deutschland und Großbritannien mit jeweils 32 Prozent an der Spitze.
„Der Krieg und seine Folgen, aber auch der Druck durch Social Media beeinflussen das psychische Wohlbefinden der Deutschen“, berichten die Studienautoren. Besonders erschreckend: 41 Prozent der jungen Frauen zwischen 18 und 34 Jahren sagen, dass sie aktuell unter Depressionen, Angstzuständen, Essstörungen, Zwangsneurosen oder anderen psychischen Erkrankungen leiden. Aus allen Altersgruppen ab 18 Jahren meinte jeder fünfte Befragte, an Depressionen zu leiden.
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Wartezeiten bei Psychotherapien sollen verkürzt werden
Experten halten diese alarmierenden Zahlen für plausibel. „Obwohl Online-Befragungen methodisch keine verlässliche Messung der Häufigkeit psychischer Erkrankungen erlauben, sind die Zahlen an sich nicht sehr überraschend“, kommentiert Andreas Meyer-Lindenberg, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, die Erhebung der Axa. Besonders dramatisch ist dabei, dass die Betroffenen mit ihrer seelischen Zerrüttung oft erst einmal auf sich gestellt sind: Bei Menschen mit einer depressiven Erkrankung vergehen im Schnitt 20 Monate, bis sie sich Hilfe suchen. Das zeigt das aktuelle „Deutschland-Barometer Depression“ der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention.
„Die Depression ist eine schwere, oft auch lebensbedrohliche Erkrankung. Dass ein großer Teil der Betroffenen Monate oder sogar Jahre braucht, um sich Hilfe zu suchen, ist besorgniserregend“, sagt Stiftungsleiter Ulrich Hegerl. Gründe hierfür seien Hoffnungslosigkeit und Antriebslosigkeit, die für eine Depression typisch sind, aber auch Versorgungsengpässe und die immer noch bestehende Stigmatisierung psychischer Erkrankungen, schildert Hegerl. Immerhin ein Drittel aller Betroffenen sucht sich sofort Hilfe. Bei der großen Mehrheit von 65 Prozent dauert es hingegen im Schnitt 30 Monate, bis sie professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen (siehe Grafik unten).
Doch selbst wenn die Erkrankten um Hilfe ersuchten, so mussten sie nach eigener Auskunft im Schnitt zehn Wochen auf ein Erstgespräch beim Psychotherapeuten warten, bei Fachärzten waren es im Schnitt acht Wochen. Zudem mussten sie durchschnittlich fünf Therapeuten kontaktieren, ehe sie einen Termin bekamen. „Bei einer so leidvollen Erkrankung wie der Depression, die zudem mit hoher Suizidgefährdung einhergeht, sind so lange Wartezeiten nicht akzeptabel“, beklagt Ulrich Hegerl.
Auch Privatpatienten brauchen oft Geduld
Der Versicherungsmakler Sven Hennig kennt das Problem mit den langen Wartezeiten – und das macht auch vor den vermeintlich besser gestellten Patienten in der privaten Krankenversicherung (PKV) nicht Halt. „Die Leistungsfälle haben deutlich zugenommen – sowohl in der Krankenversicherung als auch in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Es gibt hier viel mehr Leistungsfälle, die eine Psychotherapie oder eine therapeutische Behandlung erfordern. Die privaten Krankenversicherer unterstützen hier, indem sie versuchen, alternative Termine zu vermitteln, etwa über Online-Psychotherapeuten – einfach deshalb, weil es auch für die Privatpatienten ein massives Problem ist, an Termine zu kommen“, so Hennig. „Wir haben viel zu wenig Behandler, wodurch die Wartezeiten auch für Privatversicherte relativ lang sind“, fügt der Makler erklärend hinzu.
Dass eine psychologische Betreuung für Privatversicherte sinnvoll sein kann, wenn sie unter seelischen Problemen leiden, davon ist Anja Glorius, Geschäftsführerin des Berliner Versicherungsmaklers KVoptimal.de, überzeugt. Dies gelte vor allem dann, wenn die Probleme „auch das tägliche Leben beeinflussen oder stören. Dazu zählen häufig Depressionen, Angst-, Belastungs-, Zwangs- und Persönlichkeitsstörungen“, zählt Glorius auf.
Wer es dann geschafft hat, einen Fuß in die Behandlungstür zu bekommen, kann sich in der Regel auch darauf verlassen, dass die PKV für die Kosten der meist langwierigen Behandlung aufkommt. „Im ambulanten Erstattungsbereich haben wir wenig Probleme bei der Regulierung von therapeutischen Sitzungen im Bereich einer Depression“, stellt Anja Glorius klar. „Die PKV zeigt sich hier sehr offen und leistungsbereit. Die medizinische Notwendigkeit wird hier wenig angezweifelt.“
Diese grundsätzlich gute Nachricht teilt auch ihr Maklerkollege Hennig. „Die Kunden sind ziemlich zufrieden mit dem, was der Versicherer zahlt – der erstattet annehmbare und ansprechende Sätze. Das heißt, die Kunden sind einverstanden mit der Erstattungspraxis, sie hängen aber trotzdem am Problem: ,Wo bekomme ich einen Termin her, und wie kriege ich das organisiert?‘ Und da kann Online-Psychotherapie für einen gewissen Patientenkreis durchaus eine Variante sein“, so Hennig.
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