- Von Redaktion
- 07.09.2023 um 14:35
Mit dem schönen Unwort Beitragsbemessungsgrenze bezeichnet der deutsche Staat eine Rechengröße im Sozialversicherungsrecht: Gemeint ist das Einkommen, bis zu dem berechnet wird, wie viel jemand für Renten- oder Krankenversicherung zahlen muss. Die Anhebung dieser Grenze gehört zu den jährlichen Ritualen in der Politik. Allerdings dürften die Schritte zum 1. Januar 2024 historisch groß ausfallen. In der Renten- und Arbeitslosenversicherung soll die Grenze in den alten Bundesländern um 250 Euro auf 7.550 Euro ansteigen, in den neuen Bundesländern ist ein Anstieg um 350 Euro auf 7.450 Euro geplant. Dies entspricht einem Anstieg von 3,4 Prozent und von 4,9 Prozent. In der Kranken- und Pflegeversicherung steigt die bundeseinheitliche Bemessungsgrenze um voraussichtlich 187,50 Euro auf 5.175 Euro, ein Plus von 3,8 Prozent.
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Nur 2013 war der Sprung noch größer
Der Sozialstaat langt kräftig zu: In der Kranken- und Pflegeversicherung würde es sich um die stärkste prozentuale Erhöhung seit 1994 handeln, in der Renten- und Arbeitslosenversicherung ist der Anstieg mit Blick auf die vergangenen 20 Jahre ebenfalls überdurchschnittlich hoch. Nur 2013 und im vergangenen Jahr fiel der Anstieg noch höher aus. Die Erhöhungen orientieren sich stets an der Lohnentwicklung.
Neue IW-Berechnungen zeigen nun, was das für Konsequenzen hat: Bei einem Bruttojahreseinkommen von 60.000 Euro steigt der Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung aufs Jahr gerechnet um 16 Euro, bei 70.000 Euro bereits um 234 Euro (siehe Grafik). Zudem führt der Arbeitgeber den annähernd gleichen Betrag nochmal an die Sozialkassen ab. Für diejenigen, die brutto weniger als 60.000 Euro im Jahr verdienen, ändert sich nichts.
Bis zu 50 Euro mehr im Monat
Die höhere Beitragsbemessungsgrenze in der Renten- und Arbeitslosenversicherung führt dazu, dass sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit einem Bruttogehalt von 90.000 Euro nächstes Jahr 488 Euro mehr in die Sozialversicherung zahlen, sofern sie gesetzlich krankenversichert sind. Die maximale Zusatzbelastung beläuft sich auf 552 Euro im Jahr. Immerhin: Gleichzeitig reduziert sich die Einkommensteuer, weil Sozialbeiträge abgesetzt werden dürfen, sodass per Saldo die Mehrbelastung weniger stark ausfällt (siehe Grafik). Nicht berücksichtigt sind dabei mögliche Anhebungen der Beitragssätze. Insbesondere ein höherer Zusatzbeitrag in der Krankenversicherung ist immer wieder in der Diskussion, nicht zuletzt aufgrund eines erwarteten Defizits in der Kasse.
Fazit
Die Erhöhungen sind zwar gesetzeskonform und erwartbar. Allerdings belastet dieser große Sprung Teile der Mittelschicht weiter und senkt in der Folge die Arbeitsanreize.
Über den Autor:
Tobias Hentze ist Volkswirt mit Schwerpunkt Finanzwissenschaft und seit 2014 am Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln tätig. Dort leitet er das Cluster Staat, Steuern und Soziale Sicherung. Sein wissenschaftlicher Fokus liegt auf öffentliche Haushalte, Unternehmensbesteuerung und Einkommensteuer.
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