- Von Andreas Harms
- 25.08.2022 um 09:29
Es ist ja immer schön, wenn sich Verbände Gedanken darüber machen, wie es mit dem Gesundheitssystem weitergehen soll. Allerdings sollten dabei auch durchdachte und ausgewogene Konzepte herauskommen.
Das ist bei dem, was die Innungskrankenkassen vor ein paar Tagen vorlegten, leider überhaupt nicht der Fall. Die gesetzliche Krankenversicherung soll damit solidarischer, gerechter und versorgungsstärker werden, verspricht der Interessenverband IKK e.V. Auf drei Säulen mit mehreren Unterkategorien soll das Konzept stehen, mehr dazu lesen Sie hier.
Doch schaut man sich das ganze sogenannte Konzept mal bei Tage an, schnurrt es auf nur noch zwei Kernelemente zusammen.
Das erste davon fasst die neue digitale Wirtschaft ins Auge und ist tatsächlich ein wichtiger und guter Ansatz. Damit müssten sich die nicht immer sehr beitragswilligen internationalen Technik-Konzerne direkt am lokalen Sozialsystem jener Länder beteiligen, in denen sie ihr Geschäft einfahren. Und Geschäftsmodelle, die über Online-Plattformen laufen, sollten sozialversicherungstechnisch erfasst werden. Zählen eigentlich auch Influencer dazu?
Das zweite Kernelement lässt sich hingegen einfach zusammenfassen: mehr Geld aus Steuertöpfen. Medienwirksam splittet es der IKK e.V. in Anteile aus Tabak-, Alkohol-, Umwelt- und künftigen Zucker- und Fettsteuern und „dynamisierte“ Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt auf. Und die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel soll auch sinken, was am Ende auch nichts anderes ist als ein Steuerzuschuss.
Die Zeche soll also der Steuerzahler übernehmen. Verstanden. Nur: Einfallsloser geht es kaum. Denn die Ausgabenseite bleibt zum Beispiel völlig außen vor.
Ein Viertel der GKV-Ausgaben sind für Arznei, Hilfs- und Heilmittel
Wo sind die Vorschläge, wie man die galoppierenden Preise für Arzneimittel in den Griff bekommen kann? Schließlich gibt es auch Mittelwege zwischen staatlichem Preisdiktat und zügellosem Renditestreben wie hier. Eher so eine Art Wettbewerbskontrolle. 66,7 Milliarden Euro gab die GKV 2021 für Arznei-, Hilfs- und Heilmittel aus. Das ist ein Viertel aller Leistungen.
Parallel dazu misst der „Medicine Price Index“, dass Arznei in Deutschland fast 2,3-mal so viel kostet wie im weltweiten Durchschnitt. Generika bringen es sogar auf das 8,6-Fache. Das ist sogar dann viel, wenn man die ansprechenden deutschen Einkommen berücksichtigt. Die Pharma-Lobby gilt in Deutschland als enorm stark. Und die AOK beklagte schon vor zwei Jahren:
Die geringen und stetig sinkenden Verordnungsanteile bei hohen und weiter steigenden Kostenanteilen gehen mit außergewöhnlich hohen Gewinnmargen der international agierenden Pharmabranche einher.
Alles zum Wohl der Aktionäre. Wie kann man da denn mal gegensteuern, liebe Innungskrankenkassen?
Auch andere Kontrollmechanismen wären mal eine Idee. Zum Beispiel dafür, was Ärzte und Krankenhäuser bei der Krankenkasse alles abrechnen. In einer Studie des Wirtschaftsprüfers PWC heißt es, dass im Jahr 2018 „aufgrund eines extrem großen Dunkelfelds bundesweit Schäden durch Abrechnungsbetrug in Höhe von zirka 14 Milliarden Euro verursacht“ wurden. Geschätzt natürlich. Klar, denn wenn kein Scheinwerfer drauf gerichtet ist, bleibt vieles im Dunkeln.
14 Milliarden Euro!
Natürlich ist es aller Ehren wert und wahrscheinlich auch nötig, die Einnahmenseite für die GKV aufzubügeln. Und besteuert mir ruhig mein Bierchen, das geht schon in Ordnung. Allerdings habe ich persönlich keine Lust, über jedes Stöckchen zu springen, das uns die lachende Pharma- und Gesundheitsindustrie hinhält.
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