- Von Lorenz Klein
- 06.12.2021 um 11:59
Viele Bundesbürger konnten sich nur einen Namen vorstellen, den SPD-Bald-Kanzler Olaf Scholz als neuen Bundesgesundheitsminister ausrufen würde: Karl Lauterbach – und er ist es nun auch geworden. Mit den Worten „Er wird es“, beendete Scholz am Montag in der SPD-Zentrale in Berlin die wochenlangen Spekulationen darüber, wer denn nun die Nachfolge von Jens Spahn (CDU) antreten wird.
Lauterbach glaubt weiter an Bürgerversicherung
Bund der Versicherten enttäuscht über Koalitionsvertrag
Das plant die Ampel bei Rente, Altersvorsorge und Gesundheit
Im Rahmen der Vorstellung aller künftigen SPD-Ministerinnen und Minister begründete Scholz die Berufung Lauterbachs so:
„Wir sind jetzt so lange schon dabei, zu versuchen, die Virusinfektionen in den Griff zu bekommen – immer wieder mit Erfolgen und immer wieder mit Rückschlägen. Und natürlich haben wir bei dieser Gelegenheit festgestellt, wie gut es ist, dass wir ein ordentliches Gesundheitssystem haben. Aber wie viel besser es wäre, wenn wir ein noch viel besseres Gesundheitssystem hätten, bei dem all die Schwächen und Schwierigkeiten, die wir nun nochmal neu kennengelernt haben, nicht mehr da wären – und wir uns auf dieses Gesundheitssystem mit aller Kraft verlassen können als Bürgerinnen und Bürger. Das ist auch ganz wichtig, wenn wir daran denken, dass so viele dort arbeiten – die Pflegekräfte, die Pflegerinnen und Pfleger, die Ärztinnen und Ärzte, die mit ganzem Herzen dabei sind und das auch verdient haben, dass das eine erste Priorität in der Politik der Bundesrepublik Deutschland wird – ein gutes Gesundheitssystem mit guten Arbeitsbedingungen und guten Angeboten für die Bürgerinnen und Bürger zu etablieren. Und für mich ist ganz wichtig, dass wir dann natürlich auch im Blick haben, dass die Pandemie noch lange nicht vorbei ist. Und deshalb haben sich – anders kann man das gar nicht sagen – bestimmt die meisten Bürgerinnen und Bürger dieses Landes gewünscht, dass der nächste Gesundheitsminister vom Fach ist, das wirklich gut kann – und dass er Karl Lauterbach heißt: Er wird es.“
„Mit uns wird es keine Leistungskürzungen im Gesundheitswesen geben“
Lauterbach bedankte sich direkt im Anschluss „für das Vertrauen der Partei“ für diese „wichtige Aufgabe“. Er wolle sich aber auch bedanken „für die vielen zustimmenden Worte“, die er aus der Bevölkerung bekommen habe, wie der 58-Jährige betonte. Und weiter:
„Das wird ein wichtiges Amt werden. Wir müssen diese Pandemie bekämpfen – die Pandemie wird länger dauern als viele denken. Wir werden das aber schaffen. Impfen wird die zentrale Rolle spielen, aber nicht nur – und wir werden darüber hinaus das Gesundheitssystem stärken. Olaf Scholz hat eben schon darauf hingewiesen: Mit uns wird es keine Leistungskürzungen im Gesundheitswesen geben – ganz im Gegenteil: Wir werden das System wieder robuster machen. Wir sind stolz auf ein gutes Gesundheitssystem. Wir werden es benötigen. Wir werden den Kampf mit der Pandemie gewinnen und für weitere Pandemien werden wir besser gerüstet sein, als wir für diese gewesen sind. Vielen Dank für diese Zustimmung. Vielen Dank für das Vertrauen.“
Ist das nun der Einstieg in die Bürgerversicherung?
Dass Lauterbach den Job unbedingt wollte, den er wie eine Krönung empfinden dürfte, war nie ein Geheimnis. Und auch in der der Bevölkerung stieß ein möglicher Gesundheitsminister Lauterbach mehrheitlich auf Sympathien – wie etwa auch die Schlagzeile „Es kann nur einen geben“ in der „Süddeutschen Zeitung“ vom vergangenen Freitag unterstrich (kostenpflichtig). Gleichwohl polarisiert der Rheinländer auch stark – nicht nur wegen seiner Dauer-Präsenz als Pandemie-Erklärer in den Medien, sondern auch für sein vehementes Eintreten für eine Bürgerversicherung, was insbesondere in der Versicherungs- und Vermittlerbranche schon seit vielen Jahren auf große Ablehnung stößt.
Immerhin darf die Branche fürs erste darauf bauen, dass von einer Bürgerversicherung keinerlei Rede ist im Koalitionsvertrag. Die Frage ist, ob sein künftiges Ministerium zumindest da und dort erste Weichenstellungen unternehmen könnte, die in Richtung einer Einheitsversicherung führen könnten? Das bliebe wohl noch abzuwarten. Aber man darf an dieser Stelle vielleicht daran erinnern, dass auch der Provisionsdeckel in der Lebensversicherung im letzten Koalitionsvertrag aus CDU/CSU und SPD an keiner Stelle auftaucht – und es trotzdem zu einer entsprechenden (wenngleich gescheiterten) Initiative aus dem SPD-geführten Finanzministerium kam.
Scholz hat mit der Verkündung lange gewartet. Zu lange?
Aber selbst seine eigene Partei gab sich bis zuletzt „hin- und hergerissen, ob sie das wirklich wollen, einen Minister Lauterbach“, wie die „Süddeutsche“ am Freitag schrieb – und auch Olaf Scholz ließ sich mit der Verkündung der wichtigen Personalie – und das mitten in der Pandemie – viel Zeit. Und dann bezog sich der baldige Kanzler in seiner kurzen Rede am Montag auch nur auf den „Wunsch der meisten Bürgerinnen und Bürger“, statt zum Beispiel zu ergänzen, dass die Ernennung Lauterbachs auch seinem eigenen Wunsch entsprochen hätte. „Die einen sind absolute Lauterbach-Fans, die anderen sagen: Um Gottes willen“, zitierte die „SZ“ dann auch eine „Kollegin aus dem Bundestag“.
Zwar würden selbst seine härtesten Kritiker nicht an seiner fachlichen Expertise zweifeln, wie es in dem Bericht weiter hieß. Doch bei der Frage, ob Lauterbach auch ein Ministerium führen könne, sehe das schon anders aus. Lauterbach wird als „Einzelgänger“ beschrieben, der bis in die Morgenstunden in seinem Berliner Arbeitszimmer über Studien brüte und gerne die Leute spüren lasse, dass er „vieles schneller, manches besser“ wüsste. So habe laut „SZ“ in der Fraktion ein alter Witz Konjunktur: „Lauterbach trifft auf der Straße einen Jungen und fragt ihn: Wie alt bist du? Der Junge sagt: acht. Darauf Lauterbach: In dem Alter war ich schon neun.“ Nun, derlei Witze dürften erst einmal verstummen. Karl Lauterbach ist am Ziel. Ob mit oder ohne Bürgerversicherung.
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