Ein Landwirt aus Baden-Württemberg bei der Kohlernte. © Picture Alliance / dpa
  • Von Joachim Haid
  • 26.07.2019 um 09:29
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lesedauer Lesedauer: ca. 04:25 Min

Im vierten Teil unserer sechsteiligen Reihe zum Thema Ernährungsmythen beschäftigen wir uns mit Gemüse. Wie kann es sein, dass immer wieder berichtet wird, Gemüse würde uns krank machen? Ist das reine Panikmache oder ein Marketingtrick von Befürwortern der strengen Paläo-Diät? Gibt es Fälle, in denen bestimmtes Gemüse gemieden werden sollte? Hier erfahren Sie es.

Auf die Zubereitung kommt es an

Der US-Arzt Steven Gundry geht noch einen Schritt weiter als Cordain und hat eines seiner Bücher „Böses Gemüse“ genannt. In diesem behandelt er ausführlich die Wirkung von Lektinen auf den menschlichen Körper. Auch dabei handelt es sich um sekundäre Pflanzenstoffe. Gundrys Negativliste ist noch etwas umfangreicher als die von Cordain. Neben Hülsenfrüchten und Soja enthält diese zusätzlich auch Auberginen, Chili, Gurken, Kürbisgewächse, Paprika, Tomaten und Zucchini. Auf seiner Positivliste finden sich unter anderem alle möglichen Kohlarten, Frühlingszwiebeln, Karotten, Knoblauch, Pilze, Radieschen, Topinambur, Ziebeln, Spargel, Oliven, Stangensellerie, Lauch und viele Blattsalate. Also viele bei uns heimische Gemüsesorten.

Auch beim Thema Lektine kommt es auf die Zubereitungsart an (Einweichen, Fermentieren, milchsauer Vergären und so weiter). Außerdem auf den individuellen Zustand des Darms und seines Mikrobioms. Ein gesunder Darm kommt im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung auch mit Lektinen zurecht. Vor allem dann, wenn diese Gemüsesorten wie zu Omas Zeiten oder wie bei der traditionellen afrikanischen und asiatischen Küche zubereitet werden.

Selbst Gundry erwähnt am Ende seines Buches, dass nach einer Darmregeneration auch Gemüsesorten von seiner Negativliste langsam wieder in den Speiseplan aufgenommen werden können. Er empfiehlt neben Einweichen und Fermentieren zum Beispiel die Verwendung eines Dampfkochtopfes. Dieser zerstört Lektine seiner Aussage nach zum größten Teil. Darüber berichtet die Presse dann jedoch meist nicht. Entweder lesen die Redakteure die Bücher nicht bis zum Ende, oder halten es mit der Devise „Bad News are good News“. Böses Gemüse klingt natürlich spannender, als zu sagen: Es kommt darauf an

Ist Gemüse schädlich?

Pauschal gilt diese Aussage ganz bestimmt nicht. Zum einen gibt es viele verschiedene Gemüsearten und -sorten. Zum anderen kommt es immer auch auf den Zustand des Darms und dessen Besiedlung bei der jeweiligen Person an. Weiterhin hat die Zubereitungsart bestimmter Gemüse einen großen Einfluss darauf, wie viele Antinährstoffe noch enthalten sind. Auch liefert Gemüse wertvolle Mineralien, Vitamine, sekundäre Pflanzenstoffe und Ballaststoffe.

Auffällig ist jedoch: Der höchste Gehalt an antinutriven Stoffen findet sich oftmals in Pflanzen, die ursprünglich weder aus Afrika noch aus Europa stammen. Ist der Mensch evolutionär also an diese Pflanzen noch am geringsten angepasst? Gerade wer einen angegriffenen, löchrigen Darm hat (Leaky-Gut), sollte diese Gemüse möglichst meiden. Wessen Darm jedoch gesund ist, kann auch Gemüse, welches die oben genannten Antinährstoffe enthält, essen. Ist die Ernährung ausgewogen, werden sie auch nicht täglich auf dem Speiseplan stehen. Ansonsten kann es sinnvoll sein, sie etwas zu reduzieren. Da haben wir wieder die zwei wichtigen Tipps: Eine ausgewogene Ernährung ist wichtig, und die Menge macht das Gift.

Wichtige Ernährungstipps auf einen Blick:

  • Führen Sie gegebenenfalls einen Leaky-Gut-Test durch. Sollte Ihr Darm löchrig sein, verzichten Sie die nächste Zeit auf Gemüsesorten, welche reich an Antinährstoffen sind. Haben sich Ihr Darm und dessen bakterielle Besiedlung regeneriert, können Sie langsam diese Gemüsesorten wieder in Ihren Speiseplan aufnehmen.
  • Weichen Sie Hülsenfrüchte wie Linsen über mehrere Stunden ein, bevor Sie diese kochen und wechseln Sie dabei regelmäßig das Wasser. Das aktiviert das Enzym Phytase, welches die Phytinsäure reduziert. Mehr dazu in Teil V: Getreide und Vollkorn. Durch Einweichen über mindestens 24 Stunden, kann sich der Phytingehalt um bis zu 80 Prozent reduzieren. Das Einweichwasser nicht zum Kochen verwenden.
  • Vor dem Kochen spülen Sie die Hülsenfrüchte noch einmal ab.
  • Fermentieren reduziert viele Antinährstoffe deutlich oder vernichtet diese sogar vollständig.
  • Das gleiche gilt für die Milchsäuregärung. Auch hier sind Mikroorganismen beteiligt, die über Phytase verfügen und die Phytinsäure abbauen.
  • Keimung kann ebenfalls den Gehalt an Antinährstoffen deutlich reduzieren.
  • Erhitzen und Kochen bringt jedoch nur wenig, außer bei Lektinen. Bei den Temperaturen, die in der Küche zum Einsatz kommen, ist Phytinsäure ziemlich hitzebeständig. Das Enzym Phytase jedoch ist hitzesensibel.
  • Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung, um mit allen notwendigen Nährstoffen versorgt zu sein. Am besten gelingt das, wenn Sie auf industriell gefertigte Produkte möglichst komplett verzichten.
  • Verwenden Sie regionale, saisonale Produkte aus biologischer Landwirtschaft. Industriell gefertigte Nahrung liefert oft nur leere Kalorien, enthält also kaum noch natürliche Nährstoffe. Diese werden meist künstlich zugeführt.
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Joachim Haid

Joachim Haid ist Gründer des Gesundheitsprogramms PaleoMental®, zudem Gesundheitscoach und Heilpraktiker in Ausbildung.

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