Die Teilnehmer des Roundtables: Matthias Heß, Geschäftsführer Pfefferminzia; Ulrich Hilp, Vertriebsvorstand Condor Lebensversicherung-AG und Vertriebsdirektor R+V Maklergeschäft Personen; Folke Tedsen, Leiter Kranken-Leistung und Service-Center Hanse-Merkur; Benjamin Schröder, Bereichsleiter Service- und Qualitätsmanagement Hallesche; Kabil Azizi, Vertriebskoordinator Gesundheit Gothaer; Joachim Haid, Gründer und Geschäftsführer, Paleo-Mental; und Karen Schmidt, Chefredakteurin Pfefferminzia (v.l.). © Nicolas Det, Lucas Martens / HP-Studios
  • Von Karen Schmidt
  • 27.10.2020 um 10:29
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lesedauer Lesedauer: ca. 07:60 Min

Wie hat die Corona-Pandemie die privaten Krankenversicherer getroffen? Welche Rolle spielen präventive Ansätze in Zukunft in der PKV? Und welche die betriebliche Krankenversicherung? Darüber sprachen wir mit Experten.

Sie sprechen damit den Vorwurf aus Teilen der Politik und von den gesetzlichen Krankenversicherern an, die Kosten der Corona-Pandemie müssten vor allem die Krankenkassen schultern und die privaten Krankenversicherer hielten sich hier vornehm zurück.

Tedsen: Genau, und das ist nicht so. Von allen Zusatzbelastungen, die im Gesundheitsbetrieb durch Corona aufgetreten sind, ist die PKV genauso betroffen, bis auf ganz wenige Ausnahmen. Aber was die großen Töpfe angeht – Hygienemaßnahmen, Corona-Tests, Krankenhausentlastungsposten – da sind wir als PKV genauso beteiligt wie die GKV. Nach den neuesten Schätzungen des PKV-Verbands musste die PKV für diese drei Posten bereits über eine Milliarde Euro stemmen. Hinzu kommen noch die Ausgleichszahlungen fürs Krankenhaus, die über Steuern finanziert werden, die wiederum natürlich auch Privatversicherte zahlen. Insofern ist diese Argumentation überhaupt nicht tragfähig und sicherlich politisch motiviert.

Azizi: Das sehe ich genauso. Wir gehen auf das Wahljahr 2021 zu, und Politiker wie der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach arbeiten jetzt während der Corona-Pandemie schon mal vor, um in den kommenden Monaten wieder die Bürgerversicherung ins Spiel zu bringen. Das ist bei jeder Bundestagswahl immer das Gleiche. Werfen wir aber mal einen Blick in die Niederlande, die 2006 eine Bürgerversicherung eingeführt haben – in großer Hoffnung, dass die Gesundheitsversorgung dort besser wird. Genau das Gegenteil ist eingetreten. Weil das Krankenversicherungssystem nur noch eine Basisabsicherung liefert, haben sich 85 bis 90 Prozent der Bevölkerung dort mit privaten Zusatzversicherungen versorgt. Niederländer, die nahe der Grenze wohnen, fahren mittlerweile nach Deutschland, um sich hier behandeln zu lassen, wohl wissend, dass das Krankenversicherungssystem hier einfach besser ist. Das spricht für sich, finde ich.

Schröder: Richtig. Gerade die Corona-Krise hat doch verdeutlicht, dass wir ein sehr gut funktionierendes Gesundheitssystem in Deutschland haben – sowohl im europäischen als auch im weltweiten Vergleich. Wir haben einen hohen Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung, die also zur Risikogruppe gehören, und haben es bislang trotzdem sehr gut durch die Krise geschafft. Dazu leistet das duale Gesundheitssystem einen wichtigen Beitrag. Die Vorwürfe von Teilen der GKV sehen wir definitiv nicht so. Die PKV hat in Summe zur Bewältigung der Pandemie einen großen Beitrag geleistet, das fängt an bei der Leistungsfähigkeit der Labore über die ambulante fachärztliche Versorgung, die auch über den PKV-Mehrumsatz mitfinanziert wird, bis hin zur ausreichenden Verfügbarkeit von Einbettzimmern in Krankenhäusern. Alles in allem sind es rund eine Milliarde Euro, die die PKV in die Bewältigung der Pandemie investiert. Das duale Gesundheitssystem hat seine Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt, woran die PKV auch maßgeblichen Anteil hat.

Hilp: Tatsächlich ist die private Krankenversicherung der Garant dieser Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems. Und warum sollte man ein System abschaffen, um das uns die Welt – gerade jetzt in der Corona-­Pandemie – beneidet? Ohne PKV würde dieses System diese Leistungsfähigkeit nicht haben, weil der erforderliche Wettbewerb fehlen würde.

Glauben Sie, dass Präventionsleistungen im Bereich der Krankenversicherungen zunehmen werden, befeuert durch die Corona-Pandemie?

Joachim Haid, Gründer und Geschäftsführer Paleo-Mental: Beim Thema Prävention gibt es in Deutschland einen Fehler im Gesundheitssystem. Weil unser gesamtes medizinisches System von der Ausbildung bis zum praktizierenden Arzt rein auf der Reparaturmedizin basiert. Das heißt, Ärzte werden vor allem für die Behandlung von Kranken bezahlt, nicht für präventive Maßnahmen. Wir scheitern in Deutschland daran, die Menschen gesund zu halten. Genau hier hat die private Krankenversicherung enormes Potenzial. Aber auch eine enorme Verantwortung, denn das Ziel eines Krankenversicherers sollte es ja sein, egal ob im Zusatz- oder Volltarif, dass ich einen Kunden möglichst ein Leben lang bei mir behalte. Und das bedeutet, er muss auch im Alter noch in der Lage sein, seine Krankenversicherung zu bezahlen. 2019 wurden in Deutschland erstmalig mehr als 400 Milliarden Euro im Gesundheitswesen ausgegeben. Vor drei Jahren waren es noch 365 Milliarden Euro – man sieht also die enorme Kostenentwicklung. Das heißt, der private Krankenversicherer ist darauf angewiesen, sein Kollektiv bestmöglich dabei zu unterstützen, diese Kosten im Zaum zu halten.

Wie könnte das gelingen?

Haid: Es wird in der Diagnostik noch viel zu wenig bezahlt. Es braucht Spezialtarife, die zum Beispiel die Kosten für orthomolekulare Blutbilder oder für Analysen der Darmgesundheit übernehmen, die Ernährungsberatungen bezahlen, so was. Hier können sich die privaten Krankenversicherer sehr gut positionieren, weil sie nicht an solch enge Grenzen gebunden sind wie die GKV.

Azizi: Ab 55 Jahren steigen die Leistungsausgaben für Personen exponentiell an. Wenn wir das mit der demografischen Entwicklung hierzulande kombinieren, kann sich jeder ausrechnen, auf welche Kostenbelastung wir in den kommenden Jahrzehnten zusteuern. Wir müssen als private Krankenversicherer an den Punkt kommen, dass der Kunde, wenn er ein Zipperlein hat, sich nicht zuerst an seinen Arzt, sondern an seinen Krankenversicherer wendet. Denn der Krankenversicherer ist derjenige, der alle Daten zur Verfügung hat. Er weiß, bei welchen Ärzten der Patient war, welche Medikamente er bekommt – die sich möglicherweise nicht miteinander vertragen –, und kann gegensteuern. Das ist der Punkt, an dem wir als private Krankenversicherer ansetzen müssen.

Haid: Das ist aber nur der Anfang. Hier darf man nicht stehen bleiben. Der Versicherer könnte dann auch erkennen: Wenn mein Kunde Medikament A nimmt, hat er dadurch zwangsläufig Mängel bei Nährstoff B. Ein Beispiel: Es ist seit 20 Jahren intensiv erforscht, dass Patienten, die Statine nehmen, das Coenzym Q10 supplementieren sollten, damit die Mitochondrien, also die Zellkraftwerke, weiter richtig arbeiten können. Hier müsste eigentlich jeder Arzt aufgrund dieser gesicherten Erkenntnisse zu den Statinen das Q10 dazu verschreiben. Und der private Krankenversicherer müsste das Q10 dann auch erstatten. Bisher geschieht das aber noch nicht.

Schröder: Wir setzen beim Thema Prävention an zwei Punkten an. Erstens: Krankheiten sollen gar nicht erst entstehen beziehungsweise zu lange unentdeckt bleiben. In diese Kategorie fallen etwa unsere Angebote Rauchstopp oder mithilfe von Coaches gesund zu leben. Zweitens geht es darum, bestehende Krankheiten zu lindern und die Lebensqualität zu erhöhen.

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Karen

Karen Schmidt

Karen Schmidt ist seit Gründung von Pfefferminzia im Jahr 2013 Chefredakteurin des Mediums.

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