- Von Joachim Haid
- 25.06.2019 um 17:15
Viele Menschen gehen davon aus, dass der Body-Mass-Index (BMI) eine Erfindung der Versicherungsbranche ist. Tatsächlich geht er allerdings auf den Quetelet-Index zurück, benannt nach Adolphe Quetelet, einem belgischen Astronom und Statistiker (1796 – 1874). Die Bezeichnung BMI prägte der amerikanische Ernährungswissenschaftler Ancel Keys (1904 – 2004). Dieser beschäftigte sich Ende der 1950er Jahre mit der Frage, weshalb immer mehr US-Amerikaner einen Herzinfarkt erlitten und immer dicker wurden.
Im Rahmen seiner Sieben-Länder-Studie kam er zu dem Schluss, dass diese Entwicklung mit dem erhöhten Fettkonsum zusammenhängen müsste, während andere Experten, wie der britische Ernährungswissenschaftler Prof. John Yudkin (1910 – 1995), den stetig wachsenden Zuckerkonsum als Auslöser der Adipositas-Welle in den Industrieländern verantwortlich machten.
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Heute ist bekannt, dass Keys ursprünglich die Entwicklungen in 22 Ländern untersuchte. Bei 15 dieser Länder konnte er jedoch keine Korrelation zwischen Fettkonsum und Herzerkrankungen nachweisen, und so veröffentlichte er schließlich eine auf sieben Länder eingeschränkte Studie. Denn nur diese Länder bestätigten seine These. Echte US-Fake-News
Low-Fat-Welle
Letzten Endes erließ die US-Regierung einen Beschluss, der zur Folge hatte, dass die Lebensmittelindustrie den Fettanteil in der Nahrung reduzieren musste. Da Fett jedoch Geschmacksträger ist, wurde nun alternativ Zucker den industriell hergestellten Lebensmitteln beigefügt – ab Mitte der 1970er Jahre verstärkt der noch süßere und billigere Fruktose-Glukose-Sirup. So entstand die Low-Fat-Welle (Low Fat = niedriger Fettanteil), welche ab den 1980er Jahren auch nach Europa und Deutschland schwappte.
Die Adipositas-Epidemie wurde damit aber nicht gestoppt. Im Gegenteil – sie nahm jetzt erst richtig Fahrt auf. 1972 veröffentliche Ancel Keys, der in den USA nun große Aufmerksamkeit genoss, den Begriff Body-Mass-Index, basierend auf den Berechnungen des Belgiers Quetelet. Dieser hatte in seiner Formel jedoch lediglich ein statistisches Instrument gesehen, um Bevölkerungen beurteilen zu können und nicht zur Bestimmung des Übergewichts einer einzelnen Person.
Einzug in die Versicherungsbranche hielt dieser Index ein paar Jahre später. US-Versicherer begannen mit ihm im Rahmen der Risikoprüfung nun auch zusätzliche Risiken durch Übergewicht zu berücksichtigen. Erst seit Anfang der 1980er Jahre wird der BMI auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verwendet. Der Rest ist Versicherungsgeschichte.
Kritik am BMI
Der BMI steht seit vielen Jahren in der Kritik. Er berücksichtigt zum Beispiel nicht, wie sich das Gewicht zusammensetzt. Es macht einen großen Unterschied, ob Fett oder Muskeln die primäre Quelle des Körpergewichts sind. So haben Kraftsportler häufig einen BMI-Wert, der im Bereich deutlichen Übergewichts (BMI > 25) oder sogar der Adipositas liegt (> 30).
Der Hauptkritikpunkt ist jedoch, dass es auch sogenannte TOFIs gibt. Diese Abkürzung steht für Thin Outside, Fat Inside, also für äußerlich schlanke, innerlich aber verfettete Menschen. Man spricht hier auch von Viszeralfett. Wer einen erhöhten Wert hat, muss nicht automatisch einen dicken Bauch haben. Dieses „unsichtbare“ Bauchfett kann gesundheitlich problematisch werden, da es, anders als das sichtbare Unterhautfett, stoffwechselaktiv ist. Es schüttet beispielsweise entzündungsfördernde Stoffe aus, die langfristig gesundheitsschädlich sein können. Wer schlank ist und einen niedrigen BMI hat, kann also dennoch zu viel Bauchfett haben.
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