- Von Juliana Demski
- 13.07.2021 um 14:09
Die langjährige Forderung nach einer Verschmelzung von gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) und privater Krankenversicherung (PKV) in Form einer Bürgerversicherung ist im Zuge des Bundestagswahlkampfs wieder lauter zu vernehmen – die Befürworter eines Systemwechsels, wie es die Parteien SPD, Grüne und Linke anstreben, erhoffen sich vor allem mehr Gerechtigkeit unter den Versicherten in Bezug auf finanzielle Lasten – und was den Zugang zu Leistungen betrifft.
Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW Köln) hat sich das Konzept einer Bürgerversicherung mal genauer angeschaut und kommt zu folgender Erkenntnis: Aktuell gesetzlich Versicherte würden von einer Bürgerversicherung profitieren – jedoch nur kurz.
Konkret heißt das: Indem die Lasten im neuen System anders verteilt werden als bisher, könnte sich die Gruppe der heute gesetzlich Versicherten zunächst über geringere Beiträge freuen – doch bereits nach etwa sechs Jahren würde der Kassenbeitrag wieder auf das heutige Niveau steigen, wie die Berechnungen in der Studie ergaben. Darüber hatte zuerst die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtet. Die Studie gibt es hier zum Download (kostenfrei).
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So gingen die Studienautoren vor
Um zu prognostizieren, welche Kosten in einer gemeinsamen Bürgerversicherung anfallen, haben die IW-Forscher zunächst die jeweiligen Erkrankungsrisiken der GKV- und PKV-Kunden errechnet und miteinander verglichen. Das Ergebnis: PKV-Kunden zwischen 20 und 70 Jahren verursachen der Statistik zufolge deutlich geringere Kosten als gleichaltrige Kassenversicherte. Im höheren Alter gibt es den Forschern zufolge dann kaum noch einen Unterschied.
Aber warum scheinen jüngere Menschen in der PKV gesünder zu sein als gesetzlich Versicherte? Eine mögliche Erklärung dafür sei, dass vor allem Menschen mit guter Konstitution ein hohes Einkommen erwirtschafteten, wird IW-Autor Jochen Pimpertz von der SZ zitiert. Wer bereits gesundheitliche Probleme habe, könnte es schwerer haben, überhaupt über die Verdienstgrenze zu kommen, die für einen Beitritt in die PKV nötig sei. Als zweite Möglichkeit stehe auch im Raum, dass die PKV ihre Versicherten durch bessere Leistungen länger gesund hielte. „Diese Frage ist wissenschaftlich ungeklärt“, so Pimpertz.
Temporäre Entlastung für bisherige GKV-Kunden
Aber wie genau würde sich eine Bürgerversicherung nun auf die Kosten für die Versicherten auswirken? Zunächst einmal gut, heißt es in der Studie. Zwar würden bei einem Wechsel aller PKV-Kunden in die GKV zunächst einmal überdurchschnittlich viele ältere Menschen dazukommen, die auch mehr kosteten. Diese brächten jedoch zeitgleich auch deutlich höhere Einkommen mit – und damit auch höhere Beitragszahlungen.
Laut der Studie führe das dazu, dass unter Annahme des aktuell gültigen Beitragssatzes Überschüsse zustande kämen. Da das jedoch in den aktuellen Vorschlägen für die Bürgerversicherung nicht vorgesehen sei, würde der Beitragssatz gesenkt werden – von derzeit 15,6 auf 14,6 Prozent. Das heißt also: Laut der IW-Studie könnten aktuell gesetzlich Versicherte zunächst von geringeren Beiträgen profitieren. Die Betonung liegt aber auch zunächst.
Denn: „Wenn alle anderen Rahmenbedingungen unverändert bleiben, die Kosten also weiterhin überproportional wachsen, dann wäre nach sechs Jahren das alte Beitragsniveau wieder erreicht“, so Pimpertz in der SZ.
Problem des demografischen Wandels weiterhin ungelöst
Ein weiteres Manko sehen die Studienautoren bei der Frage, wie die Lasten zwischen Jung und Alt in der Bürgerversicherung verteilt werden sollen. Denn der Anteil der Menschen, die einen Solidarbeitrag schultern müssten – also mehr bezahlen als ihrem aktuellen Erkrankungsrisiko entspräche –, würde mit 40 Prozent nahezu unverändert bleiben. Der demografische Wandel führe aber zunehmend zu einer wachsenden Mehrbelastung der jüngeren Versicherten, so die Studienautoren. „Dieses Problem besteht derzeit und es bestünde in einer Bürgerversicherung weiterhin“, kritisiert Pimpertz.
Deckelung der Solidarleistung als Lösung?
Um dieses Problem zu lösen, schlagen die IW-Forscher eine Deckelung dieser Solidarleistung vor. Für die Versicherten würde das bedeuten: Sie hätten stets zusätzliche Kosten, die zu den normalen Beiträgen hinzu kommen – also ähnlich wie der Zusatzbeitrag in der GKV, jedoch mit einem zentralen Unterschied: Im IW-Modell ist nicht die Rede von einkommensabhängigen Aufschlägen, sondern von Versicherungsprämien. Laut Pimpertz wäre das auch ein neuer Wettbewerbsfaktor für die Versicherer. Diese könnten Modelle anbieten, mit denen Menschen ihre Prämien reduzieren könnten – beispielsweise mit dem Verzicht auf eine freie Arztwahl.
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