- Von Lorenz Klein
- 01.12.2021 um 13:09
Die Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bleibt prekär – und daher drohen den Versicherten ab 2023 steigende Beiträge. So erklärte Kassenverbands-Chefin Doris Pfeiffer in einem Interview mit dem „Handelsblatt“, dass die im Koalitionsvertrag geplanten Maßnahmen allein möglicherweise nicht reichen könnten, „um das Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung aufzufangen“. Deshalb könne man „zum gegenwärtigen Zeitpunkt steigende Beiträge ab 2023 seriös nicht ausschließen“, wie die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands sagte.
Die amtierende Bundesregierung hatte der GKV für das kommende Jahr einen Bundeszuschuss in einer Rekordhöhe von 28,5 Milliarden Euro in Aussicht gestellt, um den Zusatzbeitrag zu stabilisieren, der durchschnittlich bei 1,3 Prozent liegt. „Was die darauffolgenden Jahre angeht, da muss die Ampel wohl noch nachlegen“, sagte Pfeiffer nun.
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Zugleich betonte Pfeiffer, dass die gesetzliche Krankenversicherung generell „nicht auf Dauer“ auf Bundesmittel angewiesen sein solle, um ihre Defizite zu decken. „Steuern sollten nur dann kommen, wenn die Krankenkassen gesamtgesellschaftliche Aufgaben stemmen müssen, wie etwa die Finanzierung der Beiträge der Arbeitslosengeldempfänger oder den Bevölkerungsschutz in der Pandemie. Diese ordnungspolitische Trennung muss die Ampel sauber vollziehen“, sagte Pfeiffer.
PKV-Verband präsentiert zuschusskritisches Gutachten
Unterdessen warnen Gesundheitsökonomen vor „Verteilungskämpfen um Steuermittel“. In einem Gutachten für den Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) stellten Volker Ulrich von der Universität Bayreuth und Eberhard Wille von der Universität Mannheim fest, dass mehr Steuern zur Finanzierung für Rente, Gesundheit oder Pflege im Bundeshaushalt „unmittelbar konkurrierten“ mit Mitteln für Verkehr, Digitales, Bildung, Klima oder Infrastruktur. Diese Budget-Konkurrenz könne zu einer „medizinischen Versorgung nach Kassenlage“ führen, so die Wissenschaftler. Gerade in Ländern mit steuerfinanziertem Gesundheitswesen komme es immer wieder zur Rationierung von Leistungen, gaben die Gesundheitsökonomen zu bedenken.
Warnung vor „Finanzierungsillusion“
Für die Defizite der gesetzlichen Krankenkassen sehen die Autoren des Gutachtens vor allem strukturelle Ursachen, wie es in einer Mitteilung des PKV-Verbandes hieß. Neue Leistungen hätten demnach die Kosten deutlich stärker steigen lassen als die Beitragseinnahmen. Die Folge aus Sicht der Autoren: „Ohne Anstrengungen zur Begrenzung der Ausgaben wird eine stabile Lösung nicht gelingen.“ Bundeszuschüsse erzeugten bei Versicherten sowie bei Arbeitgebern eine „Finanzierungsillusion“: Sie freuten sich über vermeintlich stabile Beiträge, übersähen dabei aber, wie stark sie als Steuerzahler belastet würden.
„Das Gutachten zeigt die Hypothek, die auf der Finanzierung der Sozialversicherungen lastet“, kommentierte der Direktor des PKV-Verbandes, Florian Reuther, die Ergebnisse der Wissenschaftler. „Immer mehr pauschale Bundeszuschüsse auf Kosten der Steuerzahler“ seien jedoch keine Lösung. Nötig seien stattdessen eine systemgerechte Entlastung der Kranken- und Pflegeversicherungen insgesamt sowie die Stärkung der Eigenvorsorge, so Reuther.
Die Große Koalition hatte bereits gesetzlich festgeschrieben, dass der Bund den Kassen über den regulären Bundeszuschuss von 14,5 Milliarden Euro hinaus zunächst 7 Milliarden Euro zusätzlich gewährt. Zu diesen bereits zugesagten 21,5 Milliarden Euro sollen weitere 7 Milliarden Euro hinzukommen, so die Empfehlung des Schätzerkreises von Mitte Oktober 2021 – so dass sich schlussendlich besagte 28,5 Milliarden Euro ergeben würden. Dem Schätzerkreis gehört der GKV-Spitzenverband, das Bundesamt für Soziale Sicherung und das Bundesgesundheitsministerium an.
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