- Von Karen Schmidt
- 17.10.2019 um 10:10
Ergeben sich für den Vermittler durch den Fokus auf Prävention neue Beratungsansätze?
Dangelmayer: Auf jeden Fall. Man kommt damit weg vom klassischen Produktgedanken „Versicherung“ und transportiert stattdessen einen zusätzlichen Mehrwert. Der Vermittler kann Lifestyle-Themen ansprechen: Bewegung, Ernährung, Stressbewältigung. Wir geben ihm hierfür vernünftige Instrumente an die Hand, damit er kommunizieren kann, dass wir mehr bieten als klassische Versicherungsprodukte. Wir nutzen zum Beispiel Fragebögen, die an unsere gesunden Kunden gehen. Sie können damit prüfen, ob sie wirklich so gesund sind, wie sie denken. Manchmal gibt es doch an der ein oder anderen Stelle ein erhöhtes Risiko für Erkrankungen.
Haid: Die Vermittler haben viele verschiedene Möglichkeiten, wie sie von diesen Trends profitieren können. Neben dem Fokus auf den gesunden Kunden, lohnt sich dabei auch ein Blick auf die kränkelnden. Als Versicherer kann ich dem Vermittler zum Beispiel entsprechende Gesundheitsprogramme an die Hand geben, mit denen er Kunden, die jetzt nicht versicherbar sind oder vielleicht nur mit Zuschlägen oder Ausschlüssen einen Versicherungsschutz bekommen, helfen kann, ihren Gesundheitszustand zu verbessern. Der Vermittler erschließt sich neue Zielgruppen und macht mehr Geschäft, der Versicherer bekommt neue Kunden und der Kunde erhält den Versicherungsschutz, den er haben möchte. Oder warum starte ich als Versicherer hier nicht einen Optionstarif? Du, lieber Kunde, möchtest von uns diesen Versicherungsschutz haben. Aufgrund dieses Blutwertes oder dieses BMI geht das leider noch nicht. Also bekommst Du von uns einen Basisversicherungsschutz, deinen restlichen Gesundheitszustand und dein Eintrittsalter frieren wir ein. Wir geben Dir außerdem einen Kooperationspartner an die Hand, der mit Dir gemeinsam daran arbeitet, den kritischen Wert zu verbessern. Und wenn Du uns dann nachweist, dass Du an diesem Programm teilgenommen und innerhalb eines Zeitraums X die kritischen Werte verbesserst hast, erhältst Du ab diesem Zeitpunkt automatisch den vollen Versicherungsschutz. Über solch eine Lösung nimmt man den Wunsch des Kunden ernst, gesünder zu werden und sich vernünftig zu versichern. Das Versicherungsprodukt tritt als Notfall-Auffangnetz in den Hintergrund, die Dienstleistung um das Gesünderwerden in den Vordergrund.
Schmitz: Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel im Vertrieb. Wir brauchen eine andere Beratung – eine, die nicht über den Preis kommt, und auch nicht über die Leistungen eines Versicherungsprodukts. Heute redet der Vertrieb zum Beispiel darüber, ob die Heilpraktiker-Leistung zu 80 oder 90 Prozent erstattet wird. Es geht aber vielmehr darum, mit dem Kunden zusammen zu erarbeiten, wie dieser jung, erfolgreich und dynamisch bleibt. Da haben wir angesetzt und bei unserem neuen Tarif Active Me das ganze Thema Prävention an den Point of Sale gezogen. Bevor es also im Beratungsgespräch darum geht, wie viel der Kunde wann erstattet bekommt, redet er mit dem Vermittler darüber, welche Präventionsleistungen wir anbieten. Wir haben eine Health Journey gestaltet, die mit Gesundheit beginnt und diese so lange wie möglich erhält.
Hischke: Ich glaube, dass ist eine große Chance für Vermittler, die bereits selbst so ticken. Ein Vermittler, der für ein gesundes Leben stehen, wird es bei den jungen Kunden meines Erachtens einfacher haben. Die Generationen Y und Z lassen sich von Vorbildern inspirieren. Besonders engagierte und motivierte Vermittler haben hier eine Chance, sich zu positionieren. Wenn sie dann noch einen Versicherer vermitteln, der im Bereich Gesundheit für etwas steht – für ein gesundes Lebensgefühl etwa – kann ich mir gut vorstellen, dass das ein sehr erfolgreicher Beratungsansatz ist.
Tedsen: Der Vermittler hat in der künftigen digitalen Welt mit dem Thema Gesundheit eine ausbaufähige Geschäftsgrundlage. Diejenigen Berater, die mehr anbieten als reine Vertragsabschlüsse, die dem Kunden dabei helfen, gesund zu bleiben oder gesund zu werden, haben große Chancen.
Seiffert: Das Problem, dass ich dabei sehe, ist, dass sich oft nur die Kunden für ein Gesundheitsprogramm melden, die schon gut eingestellt sind, die Sport treiben oder auf die Ernährung achten. Die Herausforderung ist, auch zu den Menschen einen Zugang zu bekommen, bei denen jeden Tag noch das Stück Schwarzwälder Kirschtorte auf dem Speiseplan steht. Man erreicht nicht immer die, die man möchte.
Haid: Das hat damit zu tun, dass vielen das Bewusstsein fehlt. Wenn man sich schlecht ernährt, bekommt man ja nicht gleich einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall oder Krebs. Das ist ein schleichender Prozess über mehrere Jahre. Aber wenn man den Leuten vermittelt, dass ihre Ernährungsgewohnheiten heute vielleicht später diese Folgen haben werden, dann sind die Menschen oft intrinsisch motiviert, die Kirschtorte doch mal stehen zu lassen.
Schmitz: Sie erzeugen damit vielleicht eine Sensibilisierung, aber die Kunst ist ja, das Verhalten zu ändern. Und ich bin überzeugt, dass das nur mit Anreizen und Bonifikationen geht.
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