- Von Lorenz Klein
- 19.06.2023 um 15:33
Um der Kostenexplosion im deutschen Gesundheitswesen entgegenzuwirken, hat der Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen seinen unpopulären Vorschlag von Februar dieses Jahres (wir berichteten) erneuert: Gegenüber „Bild“ warb Raffelhüschen nun abermals dafür, gesetzlich Krankenversicherte stärker an den Gesundheitsausgaben zu beteiligen. „Kassenpatienten sollen künftig die ersten 800 Euro für Arztbesuche (ausgenommen stationäre OPs) selbst tragen – und so die Kosten-Explosion dämpfen“, wird Raffelhüschen in einem aktuellen „Bild“-Bericht zitiert.
Darin wird zwar nicht deutlich, auf welchen Zeitraum sich die Zuzahlungen beziehen sollen – etwa aufs Quartal oder aufs Jahr – doch viele Kassenpatienten dürften bereits genug gehört haben, da vermag Raffelhüschens Reformvorschlag auch noch so sachlich hergeleitet worden sein. Zumal eine aktuelle Studie des Versicherers Generali zu dem Schluss kommt, dass viele Kassenpatienten schon jetzt aus eigener Tasche ins System einzahlten – obwohl sie bereits eine Erstattung durch die GKV erhielten.
Raffelhüschen schlägt Selbstbeteiligung von bis zu 2.000 Euro vor
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Fünf Monate im Schnitt durch Corona
„Die meisten und auch die teuersten Zuzahlungsleistungen decken dabei wichtige und medizinisch sinnvolle Behandlungsfelder ab“, teilten die Autoren des erstmals erschienen „Zuzahlungsreports“ mit. Dies mache gesetzlich Krankenversicherte zu regelrechten „Zuzahlungs-Meistern“: So kosteten die zusätzlichen Behandlungen pro Person im Jahr 2021 durchschnittlich knapp 1.500 Euro. Davon sei im Schnitt fast jeder fünfte Versicherte betroffen gewesen. Dieses Ergebnis basiert auf einer Untersuchung die Leistungsfälle der Kunden der Generali Deutschland Krankenversicherung, die nach Erstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung von den Versicherten noch selbst gezahlt werden mussten.
„Zusatzleistungen sind für viele Menschen medizinisch notwendig“
Den deutlich überwiegenden Anteil aller Extrakosten für Gesundheitsleistungen (mehr als 60 Prozent) stemmen demzufolge Menschen, die 50 Jahre oder älter sind. Dabei stiegen die Kosten pro Person mit zunehmendem Alter: Krankenversicherte ab 50 Jahren zahlen laut Generali im Schnitt 2.100 Euro pro Jahr dazu. Ab 70 Jahren liege dieser Betrag bereits bei 3.500 Euro und ab 80 Jahren sogar bei 4.800 Euro pro Jahr. „Allerdings zeigt sich insbesondere bei den Kosten für stationäre Behandlungen und für Zahnbehandlungen schon in jüngeren Jahren eine erhebliche Zuzahlungsleistung“, berichten die Autoren. Bei den unter 50-Jährigen beträgt sie bis zu 1.100 Euro beziehungsweise 1.035 Euro durchschnittlich pro Jahr.
„Zusatzleistungen sind für viele Menschen medizinisch notwendig und zudem eine echte finanzielle Herausforderung“, kommentiert Uli Rothaufe von Generali Deutschland. „Diese nicht kalkulierbaren Kosten belasten einen Privathaushalt empfindlich. Das betrifft vor allem die über 50-Jährigen, insbesondere Rentnerinnen und Rentner, die solch hohe Ausgaben häufig durch Sparen und aufgrund fehlender Einnahmen nicht kompensieren können.“
Zahnzusatzversicherung mit den meisten privaten Zuzahlungen
Mit 50 Prozent entfallen die meisten Zusatzleistungen auf den Bereich der Zahnzusatzversicherung. Häufigster Kostenfaktor für rund die Hälfte aller Versicherten: Zahnbehandlung. Direkt danach folgen die Versicherten, die für Zahnersatz zugezahlt haben. Mit einem Anteil von 40 Prozent folgt der ambulante Bereich an zweiter Stelle. Vor allem Zahlungen für Hilfsmittel, wie zum Beispiel Sehhilfen, Hörgeräte, Rollstühle, Rollatoren, Gehhilfen (48 Prozent), fallen laut Generali häufig an. Stationäre Leistungen wie die privatärztliche Behandlung oder Zuschläge für Ein- oder Zwei-Bett-Zimmer machten rund 9 Prozent aller Zusatzzahlenden aus.
Ebenfalls auffällig: Besonders die neuen Bundesländer haben niedrige Zuzahlungsquoten. „Wer hier gesetzlich krankenversichert ist, nimmt deutlich weniger zuzahlungspflichtige Leistungen in Anspruch“, so die Autoren. Und ein Blick auf den durchschnittlichen Rechnungsbetrag zeigt, dass Krankenversicherte aus Ballungsgebieten (1.910 Euro) im Jahr rund 360 Euro pro Person mehr zuzahlen als in ländlichen Regionen (1.540 Euro). Eine Ursache dafür könne die höhere Ärztedichte in Großstädten sein, wie die Autoren vermuten.
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