- Von Juliana Demski
- 02.03.2021 um 13:48
Kaum ein Gesicht aus der Versicherungswelt sorgte in den 2000er Jahren für so viel Aufsehen wie der umstrittene Gründer und Ex-Chef der insolventen PKV-Vertriebsgesellschaft MEG: Mehmet Göker. Jahrelang hat sich Göker in der Türkei einer strafrechtlichen Verfolgung durch die deutsche Justiz entzogen – seit September 2012 wurde er mit internationalem Haftbefehl gesucht. Die Türkei liefert allerdings nicht an EU-Staaten aus.
Nun soll das Landgericht Kassel den Haftbefehl aufgrund von Verjährung aufgehoben haben, wie der Norddeutsche Rundfunk (NDR) am Dienstag berichtet. (Aktuelle Hintergründe zum „Fall Göker“ will der NDR am Dienstag, 2. März um 21.15 Uhr in der TV-Sendung „Panorama – die Reporter“ im NDR Fernsehen ausstrahlen).
Göker eröffnet Meg in Istanbul
Göker verkaufte Versicherungen über Strohmänner
Allianz jagt Mehmet Göker
Die Staatsanwaltschaft habe gegen diese Entscheidung Rechtsmittel eingelegt, hieß es. Göker soll in Deutschland jedoch schon wieder Versicherungsgeschäfte tätigen – über die hierzulande ansässige Firma „Finanz Check Rhein-Main GmbH“, der ein Netzwerk freiberuflicher Vermittler angehören soll. Diese würden zum Teil mit „unlauteren, rechtswidrigen Methoden privat Krankenversicherte zu einer sogenannten Tarifoptimierung drängen, die den Vermittlern eine Provision einbringt“, berichtet der NDR.
Bereits im Dokumentarfilm „Der Versicherungsvertreter – Teil 2“ von 2015 wurde bekannt, dass Göker trotz strafrechtlicher Verfolgung das tat, was er immer getan hatte: „Er verkauft weiterhin private Krankenversicherungen an deutsche Kunden“, wie es damals im Film hieß.
Wie Gökers Masche funktionieren soll
Nun gibt es also neue Vorwürfe. So liegt dem NDR der Fall einer Münchner Rentnerin vor, die dem „neuen Göker-Konzept“ zum Opfer gefallen sein soll: Einer von Gökers Vermittlern soll demnach einen Anruf der Allianz Versicherung fingiert haben, in dem der Frau zu einem Abschluss geraten wurde. Die Allianz soll jedoch versichert haben, dass es eine solche Empfehlung nicht gegeben habe. Der Tarifwechsel wäre in der vorgeschlagenen Form auch gar nicht möglich gewesen.
Und damit nicht genug: Ein Vermittler des Göker-Konzepts soll gegenüber dem NDR die Praxis fingierter Anrufe sogar bestätigt haben. Wenn Kunden einer Vermittlung nicht zustimmen, würden sie nach zwei bis drei Tagen angerufen. „Da wird gesagt: ‚Hallo, wir sind von der Versicherung, bitte schicken Sie das Mandat zurück‘“, zitiert der NDR den Vermittler.
Dem Medienbericht zufolge soll Göker mit seinem neuen Konzept außerdem Kunden mit falschen Angaben täuschen und mit falschen Titeln Seriosität vorspielen wollen. „So empfiehlt Göker seinen Teilnehmern, Kunden an frühere Gespräche zu erinnern, obwohl diese niemals stattgefunden haben. Göker selbst gibt sich nach eigenen Angaben zudem als Jurist aus“, schreibt der NDR dazu.
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„Damit kann man nachts nicht schlafen“
Ein ehemaliger Vermittler soll gegenüber dem NDR zudem berichtet haben, dass Göker ihn dazu gedrängt habe, sich in Telefonaten als Doktor zu bezeichnen, der an einer bestimmten Universität studiert habe. Er habe „Omas und Opas über den Tisch ziehen“ müssen, zitiert der NDR den Aussteiger. „Und damit kann man nachts nicht schlafen.“ Nach seinen Angaben hätten die meisten Angerufenen aber gar kein Interesse an einer „Tarifoptimierung“. Laut dem NDR hat die Bundesnetzagentur bereits bestätigt, dass gegen die „Finanz Check Rhein-Main GmbH“ Beschwerden wegen unerlaubter Werbeanrufe vorliegen. Mehmet Göker selbst habe zu den Vorwürfen bisher jedoch keine Stellung genommen.
Die Crux an der ganzen Sache: Göker selbst tauche in seinem vermeintlichen Unternehmen nirgendwo mit Namen auf, heißt es im Medienbericht. Stattdessen soll er alle Teilnehmer seines Konzepts anweisen, Optimierungen über das Unternehmen Finanz Check Rhein-Main GmbH abzuwickeln. Gegenüber Teilnehmern soll er Phrasen von sich geben wie: „Wir, die Finanz Check Rhein-Main GmbH, sind Europas größter Optimierer.“ Man agiere aus der „Zentrale der Macht“. Vor Ort könne davon aber nicht die Rede sein, wie der NDR berichtet.
Denn: Die Firma residiere in einem Containerhaus in einem Frankfurter Gewerbegebiet. Das Glas der Eingangstür sei gerissen, der Briefkasten sei rostig. Vor einigen Monaten habe bereits die Polizei die Geschäftsräume durchsucht. Zudem führe die Frankfurter Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen fünf Beschuldigte wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betrugs, schreibt der NDR in seinem Bericht.
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