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  • Von Redaktion
  • 18.06.2013 um 09:43
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Ein halbes Jahr Unisex-Tarife in der PKV – Zeit für eine Bilanz. Gerd Güssler, Geschäftsführer von KVpro.de, berichtet in seinem Gastbeitrag von eingedampften Tarifen, neuen Leistungen und Prämiensteigerungen von bis zu 170 Euro.

Ausgehend von den Anforderungen an eine substitutive Krankenversicherung hätte ein PKV-Interessent vor der Unisex-Einführung am 21. Dezember 2012 grundsätzlich die Wahl aus 2.293 Tarifangeboten der PKV-Anbieter in der Bisex-Welt gehabt. 1.518 waren es bei Anlegen von grundsätzlichen Kriterien, die eine PKV generell ausmachen – Wahlleistungen zum Beispiel. Das zeigen Berechnungen aus der KVpro-Tarifdatenbank Lux mit einer Marktabdeckung von 99 Prozent.

Zur Tabelle, die wesentliche Änderungen durch Unisex in der Tarifwelt zeigt, geht es hier.

Mit der Umstellung auf Unisex haben die Unternehmen ihre Tarifwelten teils gründlich gelichtet und geliftet. Vieles ist neu. Mit Unisex wurde die PKV praktisch neu erfunden. Heute stehen einem neuen PKV-Interessenten noch 787 Tarifkombinationen auf grundsätzlichem PKV-Niveau zur Auswahl. Je nach Betrachtungsweise eine Reduzierung der Tarifangebote mit Einführung von Unisex um 65 oder 50 Prozent im Vergleich zum alten Bisex-Markt.

Weniger Haftungsfallen durch klarere Bedingungen

Selbstverständlich sind diese neuen Unisex-Tarifangebote nach den persönlichen Präferenzen des Verbrauchers (Was soll mir der Versicherer, sprich Tarif, im Leistungsfall bezahlen? Was bezahle ich selbst?) für eine Kaufentscheidung weiter zu differenzieren. Für den Vertrieb wird die Produktauswahl für Neukunden einfacher. Auch die Haftungsfallen und Risiken werden aufgrund der Klarstellungen in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) etwa im Hilfsmittelbereich geringer.

Eines hat sich auch in der neuen, geschlechterneutralen Tarifwelt nicht geändert: Vertrieb und Verbraucher sollten sich bei jedem Angebot die „VW“-Formel – Von was? / Verglichen mit was? / Von was wie viel?“ vor Augen halten und stets hinterfragen, welche Leistungen in Prozent und Euro bei welchem Tarif wirklich beinhaltet sind. Dass sich eine nähere Betrachtung durchaus lohnen kann, zeigt sich anhand der Umsetzung der sogenannten Mindestkriterien am Beispiel der Psychotherapie.

Die Empfehlung des PKV-Verbandes – Erstattung von 50 Sitzungen bei ambulanter Psychotherapie – kann entweder zu 100 Prozent oder zu 70 Prozent Erstattung in den AVB stehen, was wiederum in Euro ein deutlicher Unterschied ist. So erklärt es sich auch, dass der Tarif-Beitrag in Unisex im Vergleich zu Bisex nicht höher ist, wenn der Tarif in Bisex 35 Sitzungen zu 100 Prozent und in Unisex 50 Sitzungen zu 70 Prozent erstattet.

Mindestleistung erfüllt, grüner Haken, Produkt gekauft … aber

In der Erstattung in Euro hat sich nichts geändert, denn 70 Prozent aus 50 Sitzungen ist in Euro so viel wie 35 Sitzungen zu 100 Prozent. Werbetechnisch heißt es dann jedoch: Mindestkriterium 50 Sitzungen erfüllt. Grüner Haken. Produkt gekauft. Das Produkt ist augenscheinlich billiger. Und im Leistungsfall kommt die Enttäuschung des Verbrauchers, mit den bekannten negativen Folgen – auch in den Medien. Darum ist es wichtig, dass der Verbraucher im Vorfeld genau aufgeklärt und informiert wird, damit er weiß was er kauft.

Ein halbes Jahr nach Einführung der einheitlichen Tarif-Welt wird die Sicht auf Produkte und Strategien der Versicherer klarer, es lassen sich erste konkrete Rückschlüsse ziehen. Viele Versicherer nutzen mit Einführung der Unisex-Tarife die Chance, ihre Produktpalette teils gründlich zu Bereinigung und zu „tunen“.

Wer nicht nachjustieren muss

Keinen beziehungsweise den geringsten „Modernisierungsbedarf“ haben dabei jene Unternehmen, die schon immer, also auch in der „alten Bisex-Welt“, starke Top-Produkte (bezogen auf die existenziellen Risiken aus Sicht des Verbrauchers) hatten. Beispiele: Alte Oldenburger, Inter, Mannheimer, R+V, Universa. Diese führen Ihre Bisex-Produkte unisexkalkuliert für das Neugeschäft weiter.

Der Änderungsbedarf beschränkte sich im Wesentlichen auf die mit Unisex erforderliche geänderte Kalkulation (Sicherheitszuschlag, Rechnungszinsabsenkung). Prozentual und in absoluten Euro sind hier auch die geringsten Beitragssteigerungen zu beobachten. Werthaltige Bisex-Tarife bieten darüber hinaus auch Allianz, Arag, Axa, Deutscher Ring, Hallesche, Huk, Nürnberger, SDK und Signal, die ihre Produkte– teils in der Anzahl stark bereinigt und ausgedünnt – in der Unisex-Welt fortführen.

Beitragsänderungen in Unisex sind differenziert zu betrachten

Wie bereits in der alten Tarifwelt, sind auch bei den Unisex-Tarifen Beitragsänderungen vor dem Hintergrund der Sicherheitszuschläge und Rechnungszinsabsenkung von 3,5 auf 2,75 Prozent immer differenziert zu betrachten.

Das Einpreisen der sogenannten Mindestleistungen, aktuelle Sterbetafeln, AVB-Klarstellungen und so weiter wirken sich in den Produkten und jeweiligen Eintrittsaltern der Versicherten unterschiedlich aus. Insoweit müssen diese Faktoren bei einem Beitragsvergleich zwingend einbezogen und berücksichtigt werden.

Ein Beitragsvergleich sagt noch nichts über den im Tarif geänderten Inhalt aus. Jeder Versicherer und jedes Produkt ist individuell zu betrachten. Wie war das Produkt inhaltlich und preislich in Bisex? Wie ist es jetzt in Unisex? Die bestehenden Top-Produkte der Bisex-Welt brauchten meist wenig nachzuholen (außer Sicherheitszuschlag und Rechnungszinsabsenkung) und haben in absoluten Euro je nach Eintrittsalter mehrheitlich vertretbare Beitragsanpassungen erfahren.

Teils 100 bis 170 Euro teurer

Nur wenige Ausnahmen verzeichnen Steigerungen bei den Tarifbeiträgen von um die 100 Euro bis zu 170 Euro für das Neugeschäft in der Unisex-Welt. Doch diese Unisex-Produkte muss niemand kaufen, wenn er nicht will. Es gibt reichlich attraktive Alternativen. Der Verbraucher muss sich lediglich aktiv darum kümmern.

Ein Bisex-Bestandskunde ist davon grundsätzlich nicht betroffen, er hat gesetzlich verbriefte Wechseloptionen bei seinem Versicherer (§ 204 VVG). Für Bestandskunden, die vor dem 21. Dezember 2012 eine PKV gekauft haben, gilt der Merksatz: „Upgrade geht immer, Downgrade geht nimmer!“. Der Verbraucher hat, je nach Zeitpunkt des Erwerbs seiner PKV, innerhalb seiner Gesellschaft teils komfortable Wechselmöglichkeiten.

Oder er kann in die neue Unisex-Welt wechseln. Dabei werden seine erworbenen Rechte und Pflichten – egal, in welchem Tarif, ob offen oder geschlossen – voll angerechnet. Es geht nichts verloren, es geht jedoch auch nicht mehr zurück!

Erst Tarife inhaltlich vergleichen – hier ist der Berater gefragt

Deshalb gilt vor einer möglichen Wechselentscheidung: Immer als erstes einen inhaltlichen Tarifvergleich des bestehenden Bisex-Tarifs mit dem möglichen neuen Unisex-Tarif durchzuführen (Welche Leistungen sind jeweils enthalten?) und erst dann im nächsten Schritt gezielt den neuen Beitrag beim Versicherer dafür erfragen.

Dieses Tarif-Update bedarf einer sach- und fachkundigen Beratung. Insbesondere soll sich der Verbraucher die mit einer Tarifänderung verbundenen individuellen Nachteile vom Berater exakt dokumentieren lassen und erst dann die möglichen Vorteile gegenüberstellen, den neuen Tarif berechnen lassen und daraufhin eine Entscheidung treffen. Denn: Ein Downgrade von Unisex nach Bisex geht nicht mehr!

PKV-Welt ist durch Unisex besser geworden

Die PKV reformiert sich, das ist klar erkennbar. Sie ist mit den Unisex-Produkten tendenziell besser geworden. Die Idee, einer Versicherungspflicht für bestimmte Berufsgruppen mit billigen Einsteigerprodukten zu begegnen, schlägt fehl. Diese Produkte dünnen sich weiter aus, gleichwohl sich vereinzelte Anbieter davon noch hohe Zuwachsraten im Bestand erhoffen.

Neue Unisex-Kunden haben weniger, aber qualitativ hochwertigere Produkte zur Auswahl. In der Unisex-Welt gelten für den Käufer die gleichen Entscheidungskriterien wie bisher weiter. Kaufe nach Leistung, kaufe das, was individuell, existenziell notwendig ist. Erst dann kommt der Preis. Vergleiche das Ergebnis mit den inhaltlich vergleichbaren GKV-Alternativen und treffe dann eine Entscheidung. Hierbei sind Vermittler und der Vertrieb im Allgemeinen gefordert. Vor allem bei der Bisex-/Unisex-Beratung, dem Reparieren und Tunen von Policen bei Kunden der alten und neuen Welt.

Hierzu braucht es mehr denn je fachkundige Beratung und kundenorientierte, gut geschulte und informierte Dienstleister, die die europäischen und nationalen gesetzlichen Vorgaben mit zum Teil massiven Einflüssen auch auf die Welt der PKV, im Sinne des Verbrauchers umsetzen können.

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