- Von Redaktion
- 16.07.2015 um 07:39
Kein Rechtsverstoß aber wider Treu und Glauben – Mehrleistungsverzicht
In Bezug auf den Verzicht auf Mehrleistungen ist das Gesetz eindeutig:
204: …. soweit die Leistungen in dem Tarif, in den der Versicherungsnehmer wechseln will, höher oder umfassender sind als in dem bisherigen Tarif, kann der Versicherer für die Mehrleistung einen Leistungsausschluss oder einen angemessenen Risikozuschlag und insoweit auch eine Wartezeit verlangen; der Versicherungsnehmer kann die Vereinbarung eines Risikozuschlages und einer Wartezeit dadurch abwenden, dass er hinsichtlich der Mehrleistung einen Leistungsausschluss vereinbart; ….
Dennoch ist es schon abenteuerlich, was da versucht wird.
Da sollen zum Beispiel alle Mehrleistungen per se ausgeschlossen werden. Das ist dann unverständlich, wenn es zum Beispiel Schutzimpfungen oder mehr beziehungsweise zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen sind. Besonders bizarr ist aber der Versuch einiger Versicherer, sogar pauschale Leistungen auszuschließen, die bei Leistungsfreiheit des Vertrages fällig werden würden.
Da fehlen mir dann doch der Bezug zur Realität und die Kausalität zu vorhandenen Erkrankungen.
Ein pauschaler Mehrleistungsverzicht, ohne die Mehrleistungen explizit und abschließend aufzuzählen geht bitte gar nicht. Der Streit, was denn tatsächlich eine Mehrleistung ist, müsste dann irgendwann in der Zukunft und sicher nur unter Einschaltung mehrerer Gutachter ausgetragen werden.
Wenn Versicherer mir sagen, dass Sie nicht wissen, welche Mehrleistungen es sind und ich solle selbst in die Bedingungen schauen, dann hat das etwas von einer Dauerrunde in der Geisterbahn.
PKV in Absurdistan
Ganz absurd wird es aber, wenn Versicherer anfangen aufzuzählen und selbst die ambulante Palliativmedizin, das Hospiz beziehungsweise die Anschlussheilbehandlung als Mehrleistung bezeichnen wollen. OK, das mag früher dort nicht ausdrücklich geregelt gewesen sein, aber es war versichert und den Prozess verliert die PKV.
Ganz nett fand ich auch diesen Fall:
Alter Tarif ambulant 2.700 Euro, neuer Tarif 1.600 Euro.
Vorschlag 1 PKV: 1.100 Euro versicherungsmedizinischen Zuschlag für Krankheiten A, B und C
Vorschlag 2 PKV: 1.600 Euro SB und für Krankheiten A, B und C 1.100 darüber hinaus zusätzlicher Selbstbehalt.
Unsere Frage: „Wenn der Kunde im ersten Halbjahr 1.600 Euro Kosten durch Behandlungen der Diagnosen A, B und oder C verursacht und dann im zweiten Halbjahr 1.600 Euro an Kosten für D verursacht, wie wird das dann abgerechnet?“ ist bis heute unbeantwortet.
Ob und wie ein normal gebildeter Mensch das persönlich nachvollziehen kann, ist und bleibt uns bis heute verborgen.
Rechtsverstoß – Mehrleistungsverzicht
Wer als Versicherungsvermittler seinen Kunden bei Tarifwechsel (natürlich unentgeltlich) unterstützt und dann …
1. … statt eines versicherungsmedizinischen Zuschlages Mehrleistungsverzicht anbietet,
2. … die Angebote der Versicherer seinem Kunden zur Unterschrift vorlegt, ohne zu verhandeln oder klarzustellen beziehungsweise geltendes Recht umzusetzen,
3. … dabei nicht alle Positionen des Vertrages komplett prüft und korrigiert,
der hat ein nettes Haftungsproblem, wenn ein wirklich guter Versicherungsberater diesen Fall später in die Finger bekommt.
Fazit
Können PKV-Versicherer Tarifwechsel? Nein!
Behandeln PKV-Versicherer ihre Kunden bei Tarifwechsel fair? Mehrheitlich NEIN!
Sollten Versicherungsvermittler Tarifwechsel durchführen? Wenn Sie es können und der Kunde in ihrem Bestand ist, ja!
Dürfen Versicherungsvermittler für einen Tarifwechsel Geld nehmen? Ja, wenn der Tarifwechsel zu einem Mehrbeitrag führt und der Vermittler dafür eine Courtage/Provision bekommt! Direktes Entgelt für die Tätigkeit sollte der Versicherungsvermittler lassen.
Hier empfehle ich Ausnahmsweise einen Artikel des Rechtsanwalts Norman Wirth vom 9. Juli 2015:
Zitat: Sonderfall Tarifwechselberatung in der privaten Krankenversicherung (§ 204 VVG)
Das ist äußerst strittig. Dass die ausschließliche Beratung eines Neukunden zum Tarifwechsel innerhalb der Gesellschaft einer privater Krankenversicherung gem. Paragraf 204 VVG so pauschal zulässig ist, wie es zuletzt der DIHK am 1. Juli 2014 verlautbart hat und wie auch das LG München (Urteil vom 16.05.2013, Aktenzeichen 4 HK O 5253/12) geurteilt hat, wird hier in Zweifel gezogen. Beide setzen einen Tarifwechsel gemäß Paragraf 204 VVG mit einem Neuabschluss eines Versicherungsvertrages gleich. Was irritierend ist, da es sich ganz klar nur um eine Vertragsänderung handelt und ein Neuabschluss eines PKV-Vertrages häufig gar nicht gewollt ist. Es ist also auch gut vertretbar, dass hierfür eine gewerberechtliche Zulassung als Versicherungsberater gemäß 34 e GewO erforderlich ist. Das letzte Wort dürfte eines Tages der BGH sprechen.
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