- Von Oliver Lepold
- 15.11.2018 um 15:15
Als Anfang dieses Jahres der neue Koalitionsvertrag der Große Koalition präsentiert wurde, enthielt er auch einen Passus zur Krankenversicherung, um den besonders heftig gerungen worden war. Nachdem die Union die SPD-Forderungen nach Einführung einer Bürgerversicherung abgelehnt hatte, verständigte man sich auf die Einrichtung einer Experten-Kommission. Diese soll bis Ende 2019 Vorschläge für eine Reform der Arzthonorare erarbeiten und dabei untersuchen, ob eine Vereinheitlichung für privat und gesetzlich Versicherte umsetzbar ist.
Derzeit bestehen für PKV und GKV unterschiedliche Honorarsysteme, die beide veraltet sind. Ein Arzt erzielt in der Regel das Zweieinhalb- bis Dreifache des Honorars, wenn er einen privat versicherten Patienten behandelt im Vergleich zu einem gesetzlich versicherten – bei gleicher Leistung. Das könnte sich laut Koalitionsvertrag womöglich ändern, das Ziel lautet: „Ein modernes Vergütungssystem, das den Versorgungsbedarf der Bevölkerung und den Stand des medizinischen Fortschritts abbildet.“ Zusätzlich soll die medizinische Versorgung in ländlichen Gebieten verbessert werden, wo immer häufiger Ärztemangel herrscht.
Einhellige Ablehnung in der Branche
Von der wissenschaftlichen Kommission sind bis dato noch keine Zwischenergebnisse bekannt geworden, dafür haben Experten aus dem Gesundheitswesen bereits deutlich gemacht, was sie von den Ideen halten: Wenig bis nichts.
So befürchtet die gesetzliche Krankenversicherung eine erhebliche Mehrbelastung ihrer Versicherten. „Wenn einheitliche Honorierung bedeutet, dass die gesetzlichen Krankenkassen mehr bezahlen und die privaten Krankenversicherungen weniger, dann lehnen wir das ab“, hatte Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbands betont. Mindestens 6 Milliarden Euro würde eine Angleichung der Honorare ohne Anpassung der ärztlichen Leistungen die GKV für die gleichen Leistungen kosten, haben Experten berechnet.
Die private Krankenversicherung sieht in einer Angleichung der Honorare einen Schritt hin zur gesetzlichen Bürgerversicherung, die gleichbedeutend mit einer Abschaffung der PKV ist. „Jede Arztpraxis würde im Schnitt über 50.000 Euro pro Jahr verlieren, wenn die höheren Honorare der Privatversicherten wegfielen“, sagte PKV-Verbandsdirektor Volker Leienbach nach Bekanntgabe der Pläne. Seiner Ansicht nach müssten dann viele Praxen schließen. Die PKV hat zudem verfassungsrechtliche Bedenken. Denn eine einheitliche Gebührenordnung würde in die Vertragsfreiheit der Versicherten ebenso eingreifen wie in die Berufsfreiheit der Ärzte und der Krankenversicherer.
Extrem langfristiges Projekt
Nahezu alle Experten halten eine Reform der Gebührenordnung zudem für ein langfristiges Projekt, das mindestens 10 bis 15 Jahre benötigen werde. Wartezeiten und verbesserte medizinische Versorgung auf dem Land seien zudem nicht allein von den Honoraren abhängig.
Auch Vertreter der Ärzte, etwa die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), haben bereits vor der Vereinheitlichung gewarnt und stattdessen die Abschaffung der Budgetierung in der GKV vorgeschlagen, um die Versorgung der Patienten zu verbessern. Die Budgetierung verhindert derzeit die Ausweitung von Leistungen. Werde sie abgeschafft, setze man unmittelbar bei der Versorgung der Patienten bei Haus- und Fachärzten an.
Was von den Absichtserklärungen der Großen Koalition verwirklicht wird, ist derzeit noch unklar. Letztlich werden – wie häufig in der Politik – Kosten und Machbarkeit entscheiden.
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