Katrin Göring-Eckardt ist Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. © picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
  • Von Achim Nixdorf
  • 30.04.2021 um 14:08
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lesedauer Lesedauer: ca. 01:55 Min

Das neue Bürgerversicherungs-Konzept der Grünen stößt beim PKV-Verband auf scharfe Kritik. Damit solle nur die Private Krankenversicherung „durch die Hintertür“ abgeschafft werden, befürchtet man in Berlin. Die Vorschläge seien absurd und würden die Wähler täuschen, so der Vorwurf. Alle Hintergründe und wie der Verband zu dieser Einschätzung kommt, lesen Sie hier.

Für den Fall einer Regierungsbeteiligung streben die Grünen die Einführung einer Bürgerversicherung an, in die die Private Krankenversicherung (PKV) integriert werden soll. Das geht aus einem Positionspapier der Bundestagsfraktion hervor (wir berichteten). Ursprünglich war noch von der kompletten Abschaffung der PKV die Rede gewesen. Doch diese Pläne scheinen jetzt zumindest abgeschwächt worden zu sein.

Das neue Konzept sieht nun die Einbeziehung der PKV in den Gesundheitsfonds der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vor. Danach sollen künftig auch Privatversicherte, also Gutverdiener, Beamte und Selbstständige, einen einkommensabhängigen Beitrag in den Fonds einzahlen. Aus diesem würden sie dann wie im GKV-System eine durchschnittliche Pauschale erhalten, mit der sie ihre Prämien in der privaten Krankenversicherung begleichen könnten. Davon würden vor allem Versicherte mit mittleren oder geringen Einkommen, mit chronischen Erkrankungen sowie ältere Versicherte profitieren, heißt es in dem Papier der Grünen.

„Abschaffung der PKV durch die Hintertür“

Beim PKV-Verband stößt dieses Modell auf scharfe Kritik. Aus seiner Sicht geht es den Grünen damit nicht um eine Beibehaltung der Dualität im Gesundheitssystem, sondern um eine „Abschaffung der PKV durch die Hintertür“, also um eine Täuschung der Wähler. Würden die Pläne Realität, müssten viele Privatversicherte – insbesondere alle Angestellten in der PKV – den Höchstbetrag in den Fonds einzahlen – und würden nur eine deutlich niedrigere Prämie aus ihm zurückerhalten.

„Nach diesem Minusgeschäft müssten sie dann nochmals Geld drauflegen, um ihren realen PKV-Beitrag zu zahlen. Der wird schon allein durch den zusätzlichen Aufbau des PKV-typischen Vorsorgekapitals für die höheren Gesundheitskosten im Alter entsprechend höher sein. Die Differenz müssten die Versicherten also zusätzlich aufbringen“, heißt es dazu wörtlich in einer Stellungnahme des Verbandes.

Hohe Belastung für PKV-Versicherte

Diese Regelung hätte absurde Folgen: Privatversicherte müssten in der GKV ein System der Umlage mitfinanzieren und zugleich in der PKV leistungs- und risikoadäquat kalkulierte Prämien für sich und ihre Kinder zahlen und obendrein Rückstellungen fürs Alter bilden.

Laut Verbandsberechnungen würden die Gesundsheitsfonds-Zahlungen für einen PKV-Versicherten mit Einkommen ab der Beitragsbemessungsgrenze (2021: 4.837,50 Euro) zu einer Mehrbelastung von etwa 100 Prozent führen. Ein Durchschnittsverdiener (Jahreseinkommen 2021: 41.541 Euro) müsste immer noch über 50 Prozent draufzahlen.

Beiträge auf alle Einkommen

Auch an den weiteren Plänen der Grünen, alle Einkommensarten wie Kapitalerträge und Mieteinkünfte zukünftig in die Beitragsbemessung mit einzubeziehen, lässt der PKV kein gutes Haar. Das hätte nichts anderes als eine außerordentliche Beitragserhöhung für Durchschnittsverdiener und Rentner zur Folge, ist man sich bei der Interessenvertretung sicher. Kapitalerträge seien längst kein Privileg von „Besserverdienenden“ mehr, sondern vielfach Bestandteil der mühsam ersparten Altersvorsorge von Normalverdienern.

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Achim

Achim Nixdorf

Achim Nixdorf war von April 2019 bis Mai 2024 Content- und Projekt-Manager bei Pfefferminzia. Davor arbeitete er als Tageszeitungs- und Zeitschriftenredakteur mit dem Fokus auf Verbraucher- und Ratgeberthemen.

kommentare
Gabriele Fenner
Vor 4 Jahren

Kein Wunder, dass der PKV-Verband sich gegen die Bürgerversicherung sträubt, denn mit Solidarität hatte die PKV noch nie etwas zu tun. Dass er sich gegen die Verbeitragung aller Einkunftsarten wendet bestätigt das eindrucksvoll.
Denken wir doch an Zeiten, in denen unanständige Provisionen Verkaufsanreize schafften und ein Herr Göker von den den Vertriebsvorständen der privaten Krankenversicherungen rote Teppiche ausgelegt bekam.

Ob die Vorschläge der Grünen zur Umsetzung richtig sind, ist sicher diskutabel. Ich bin z.B. dafür, dass alle Jahrgänge von der PKV in die Bürgerversicherung integriert werden sollten.
Nicht diskutabel ist es, dass unser Sozialversicherungssystem komplett zu erneuern ist und bisherige Privilegien abgeschafft gehören – und das betrifft sowohl die Krankenversicherung als auch die Rentenversicherung. Wir alle tun gut daran, diese Diskussionen mit Nachdruck zu führen, damit das gesellschaftliche Auseinanderdriften sich nicht weiter vertieft und eine wirtschaftliche Verelendung in den unteren Einkunftsarten vermieden wird.
Außerdem kann unsere Gesellschaft es nicht länger hinnehmen, dass die medizinische Versorgung zu einer Geldruckmaschine degeneriert ist, eine Klinik oder ein Arzt für die gleiche Leistung je nach Versicherungsstatus des Patienten unterschiedliche Einkünfte erzielt, ein Privatversicherter immer sofort einen Termin bekommt – und damit nicht die medizinische Dringlichkeit die schnelle Behandlung sicher stellt, sondern die Gebührenhöhe.
Als Versicherungsmaklerin habe ich viele Möglichkeiten mit existenziell notwendigen Versicherungen Einkünfte zu erzielen. Und als Privatversicherte kann ich mir dann mit der einen oder anderen Zusatzversicherung meine Einkünfte bei längerer Erkrankung und ein wenig mehr Luxus leisten.

M. M.
Vor 4 Jahren

Hallo Frau Fenner
Ihrer Meinung nach sei die PKV nicht solidarisch. Die PKV-Unternehmen zahlen Steuern, die PKV-Versicherten zahlen höhere Gebühren an Ärzte und Krankenhäuser – wie Sie selbst ja schon bemerkten – und beteiligen sich darüber z.B. an der Finanzierung der beitragsfreien Familienversicherung der Kinder in der GKV und ermöglichen es Ärzten und Kliniken, den medizinischen Fortschritt für uns alle zu ermöglichen. Finden Sie das unsolidarisch? Die PKV erhält leider auch keine Bundeszuschüsse von jedem Steuerzahler, die GKV benötigt diese schon viele Jahre im 2-stelligen Mrd.-Bereich – steigende Tendenz!

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Gabriele Fenner
Vor 4 Jahren

Kein Wunder, dass der PKV-Verband sich gegen die Bürgerversicherung sträubt, denn mit Solidarität hatte die PKV noch nie etwas zu tun. Dass er sich gegen die Verbeitragung aller Einkunftsarten wendet bestätigt das eindrucksvoll.
Denken wir doch an Zeiten, in denen unanständige Provisionen Verkaufsanreize schafften und ein Herr Göker von den den Vertriebsvorständen der privaten Krankenversicherungen rote Teppiche ausgelegt bekam.

Ob die Vorschläge der Grünen zur Umsetzung richtig sind, ist sicher diskutabel. Ich bin z.B. dafür, dass alle Jahrgänge von der PKV in die Bürgerversicherung integriert werden sollten.
Nicht diskutabel ist es, dass unser Sozialversicherungssystem komplett zu erneuern ist und bisherige Privilegien abgeschafft gehören – und das betrifft sowohl die Krankenversicherung als auch die Rentenversicherung. Wir alle tun gut daran, diese Diskussionen mit Nachdruck zu führen, damit das gesellschaftliche Auseinanderdriften sich nicht weiter vertieft und eine wirtschaftliche Verelendung in den unteren Einkunftsarten vermieden wird.
Außerdem kann unsere Gesellschaft es nicht länger hinnehmen, dass die medizinische Versorgung zu einer Geldruckmaschine degeneriert ist, eine Klinik oder ein Arzt für die gleiche Leistung je nach Versicherungsstatus des Patienten unterschiedliche Einkünfte erzielt, ein Privatversicherter immer sofort einen Termin bekommt – und damit nicht die medizinische Dringlichkeit die schnelle Behandlung sicher stellt, sondern die Gebührenhöhe.
Als Versicherungsmaklerin habe ich viele Möglichkeiten mit existenziell notwendigen Versicherungen Einkünfte zu erzielen. Und als Privatversicherte kann ich mir dann mit der einen oder anderen Zusatzversicherung meine Einkünfte bei längerer Erkrankung und ein wenig mehr Luxus leisten.

M. M.
Vor 4 Jahren

Hallo Frau Fenner
Ihrer Meinung nach sei die PKV nicht solidarisch. Die PKV-Unternehmen zahlen Steuern, die PKV-Versicherten zahlen höhere Gebühren an Ärzte und Krankenhäuser – wie Sie selbst ja schon bemerkten – und beteiligen sich darüber z.B. an der Finanzierung der beitragsfreien Familienversicherung der Kinder in der GKV und ermöglichen es Ärzten und Kliniken, den medizinischen Fortschritt für uns alle zu ermöglichen. Finden Sie das unsolidarisch? Die PKV erhält leider auch keine Bundeszuschüsse von jedem Steuerzahler, die GKV benötigt diese schon viele Jahre im 2-stelligen Mrd.-Bereich – steigende Tendenz!

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