- Von Joachim Haid
- 02.12.2021 um 10:29
Der Radio-Wecker klingelt. Oftmals zur halben, oder vollen Stunde. Genau zu der Zeit, wenn Nachrichten im Radio kommen. So beginnt häufig der Tag mit Katastrophenmeldungen, Unfällen oder den aktuellen Corona-Zahlen. Das erinnert an die berühmte Wecker-Szene aus dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“.
80 Prozent der Deutschen leiden unter Stress
Der Stress-Dopamin-Teufelskreis
Nun könnte man der Situation beim Aufwachen aus dem Weg gehen. Einfach keinen Radiowecker nutzen. Dann gilt es noch, das Radio im Wohnzimmer oder Bad zu vermeiden. Gut, es gibt auch reine Musiksender ohne Nachrichten. Eine gute Alternative. Anschließend geht es ins Büro. Man steigt in das Auto, startet und zack, das Radio läuft. Wieder schlechte Nachrichten. Viele haben sogar einen Nachrichtensender gewählt – alle 15 Minuten das Neueste aus der ganzen Welt. Nur auch hier gilt: Bad news are good news.
Schlechte Nachrichten sind Stress und aktivieren körperliche Notfallprogramme
Was machen solche ständig schlechten Nachrichten mit unserer Psyche und in der Folge auch mit unserem Immunsystem? Um das nachvollziehen zu können, müssen wir eine kleine Zeitreise 20.000 Jahre in die Vergangenheit machen. Eine schlechte Nachricht für unsere Vorfahren war beispielsweise, sich plötzlich einem Säbelzahntiger gegenüber zu sehen. Schulterhöhe 1,2 Meter, über 300 Kilo schwer und bis zu 28 Zentimeter lange Eckzähne. Da schrillten sofort alle körperlichen Alarmglocken. Sobald der Fressfeind erkannt wurde, startete automatisch das Notfallprogramm „Fight or Flight“, also Kampf oder Flucht, unseres Körpers. Der Angstmodus wurde aktiviert.
Nun gibt es seit gut 12.000 Jahren keine Säbelzahntiger mehr. Unser Körper reagiert aber auf schlechte Nachrichten noch genauso wie zu Urzeiten. Nur die Dinge, die uns Angst machen und uns in Stress versetzen, haben sich verändert. Das sind etwa der Verlust des Arbeitsplatzes, finanzielle Probleme oder, ganz aktuell, sich oder andere Personen mit einem Virus zu infizieren, schwer zu erkranken, oder im schlimmsten Fall zu sterben. Viele haben auch Angst vor einer Meinungsäußerung – die Gesellschaft wirkt gespalten in schwarz und weiß.
Das kognitive Denken wird unter Stress fast ausgeschaltet
Wenn wir in dieses urzeitliche Angst-, beziehungsweise Stressprogramm versetzt werden, wird das sogenannte kognitive Denken nahezu ausgeschaltet. Es ergab damals keinen Sinn, erst lange die Situation einzuschätzen, wenn der Säbelzahntiger vor einem stand. Es galt, unmittelbar zu reagieren und nicht erst Pro und Contra der verschiedenen Möglichkeiten abzuwägen. Instinktives Handeln war gefragt. Adrenalin und Noradrenalin wurden ausgeschüttet, ebenso das Hauptstresshormon Cortisol. Verdauungsprozesse werden gestoppt, Atmung und Puls beschleunigen sich.
Dies ermöglichte unseren Vorfahren maximale Energiebereitstellung für den anstehenden Kampf oder die Flucht. Kurzfristiger Stress hatte also überlebenswichtige Vorteile. Durch die Bewegung beim Kampf oder Fliehen, wurden die Stresshormone schnell wieder abgebaut. Überlebte unser Urahn die Situation, konnte sich der Körper so wieder regenerieren.
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