Junge Eltern begucken stolz ihr Baby. © Getty Images
  • Von Redaktion
  • 30.07.2015 um 10:11
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Mit der Geburt eines Kindes stellt sich für die Eltern die Frage, wo das Kind krankenversichert werden soll. Während sich die Frage bei gesetzlich Versicherten allenfalls auf die Wahl der Krankenkasse beschränkt, sieht es bei privat Versicherten etwas anders. Worauf es dabei zu achten gilt, erklärt Versicherungsexperte Andreas Sokol in seinem Gastbeitrag.

Es stellt sich die Frage, ob – solange der Verband an seiner jetzigen Auslegung zu Paragraf 204 VVG und seiner Verweigerung, den Standardtarif auch als Unisex zu kalkulieren, festhält – hier eben nicht mehr allein die Einwilligung der Eltern ausreicht, sondern vielmehr eine Zustimmung des Familiengerichts erforderlich wird.

Hintergrund dieser Überlegung ist die Tatsache, dass der Gesetzgeber Versicherungspflicht vorgeschrieben hat und es nicht mehr auszuschließen ist, dass das Kind lebenslang in der PKV verbleiben muss. Dies ist nicht mit Sicherheit auszuschließen. Der Basistarif stellt – aufgrund der anderen Struktur – keine äquivalente Rechtsposition für das Kind dar.

Nicht unwichtig für die Bedeutung des Standardtarifs ist die Tatsache, dass der Gesetzgeber sogar den Arbeitgeberzuschuss in Paragraf 257 SBG V an dessen Existenz knüpfte.

Unter Umständen wären alle Verträge nach diesem Muster schwebend unwirksam.

In Anbetracht der komplexen Fragen und der fehlenden Literatur zur Problematik Standardtarif sollte hier eine skizzenhafte Betrachtung erfolgen. Dies geschieht in der Hoffnung, dass sich hiermit zumindest eine breite Diskussion ergibt.

Folgende Thesen ergeben sich:

Solange der Standardtarif nicht als Unisex angeboten ist, könnten die bisherigen Verträge entweder nichtig beziehungsweise schwebend unwirksam sein.

Alternativ könnte das Argument verfolgt werden, dass es sich bei der Wahrnehmung des Standardtarifs um keinen Tarifwechsel im Sinn des Paragraf 204 VVG handelt.

Solange der Standardtarif nicht als Unisex angeboten wird, ist es fraglich, ob nicht eine Zustimmung des Familiengerichts eingeholt werden muss.

Solange ein Versicherer für Unisex-Tarife Mehrleistungen gegenüber den Bisex-Tarifen darstellt, dürfte eine Kindernachversicherung nach Paragraf 198 VVG in Unisex-Tarife auf Bedenken stoßen.

Dies könnte – die Frage Standardtarif ausklammernd – allenfalls stufenweise über Paragraf 198 VVG und danach über Paragraf 204 VVG ermöglicht sein.

Vorschlag eines Lösungsmodells:

Der PKV-Verband kalkuliert den Standardtarif auch als Unisex. Dieses Vorhaben könnte aus vertraglicher Verpflichtung begründet werden, denn seit 1994 werden für dieses Recht Beiträge nach KalV Paragraf 8 Abs. 1 Nr 8 i.V.m. Abs. 5 erhoben.

Grundsätze für die Bemessung der sonstigen Zuschläge

(1) Die sonstigen Zuschläge umfassen

8.    den Zuschlag für den Standardtarif.

(5) Soweit vereinbart, muss in die Prämien der Tarife, die zum Wechsel in den Standardtarif nach Paragraf 257 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch berechtigen, ein gesonderter Zuschlag zur Gewährleistung der Beitragsgarantie im Standardtarif und des unternehmensübergreifenden Ausgleich eingerechnet werden. Dieser Zuschlag entfällt für die Versicherten, die das 65. Lebensjahr vollendet haben.

Das wäre unschwer möglich und  zumutbar. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an Paragraf 33 Abs. 4 AGG (Schwangerschaftskosten)

(4) Auf Schuldverhältnisse, die eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben, ist Paragraf 19 Abs. 1 nicht anzuwenden, wenn diese vor dem 22. Dezember 2007 begründet worden sind. Satz 1 gilt nicht für spätere Änderungen solcher Schuldverhältnisse.

Trotz fehlender Verpflichtung wurden seinerzeit auch Verträge bei der Berücksichtigung von Schwangerschaftskosten berücksichtigt, die vor dem 22. Juli 2007 begründet wurden. Begründet wurde dies durch die Versicherer damit, dass damit ein Vereinfachung der Umstellungsprozesse gegeben war.

Warum nun der Standardtarif nicht umgestellt werden soll, ist nicht einsichtig. Dies würde auch im Sinne der Richtlinie 2004/113/EG liegen, denn die Leitlinien  (2012/C11/01) zur Anwendung der Richtlinie führen in Nr. 10 aus:

„.. und anhand von Kriterien erfolgen, mit denen unverhältnismäßige Eingriffe in bestehende Rechte vermieden und die legitimen Erwartungen aller Beteiligten nicht enttäuscht werden…“

Es dürfte legitimen Erwartungen widersprechen, wenn eine vertraglich erworbenes Recht, für das sogar Beiträge erhoben werden, dadurch entfallen soll, wenn ein Versicherungsnehmer sein Recht auf Tarifwechsel wahrnimmt (welches im Übrigen ebenfalls auf einer EU-Richtlinie – 3.Schadens-RL Art 54 – beruht).

Das Argument des PKV-Verbands, das man den Standardtarif für alle Versicherten beabsichtige und die Politik dies verhindere verkennt – bewusst oder unbewusst – völlig die Problematik.

Schlussendlich stellt sich die Frage, warum denn ausgerechnet Frauen durch den aktuellen Zustand benachteiligt werden. Denn diese würden durch den Wechsel in Unisex-Tarife oftmals profitieren und schrecken vor dem Verlust des Standardtarifs zurück. Dieses Instrument setzen Versicherer bewusst in ihren Informationsblättern ein.

Im Sinn der Richtlinie 2004/113/EG kann dies gewiss nicht liegen.

Der Autor Andreas Sokol ist seit 1997 in der Versicherungsbranche tätig. Seit Mai 2015 ist er mitverantwortlich bei ProAuxilium, die seit 20. Mai 2015 die Seite beitragsoptimierung24.de in alleiniger Verantwortung und nach eigenem Verständnis betreibt. Neben Krankenversicherung sind weitere Schwerpunkte Versicherungsrecht, Prüfung und Durchsetzung von Leistungsansprüchen, Haftpflichtversicherung und Gebäudeversicherung.

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