- Von Joachim Haid
- 12.11.2019 um 17:47
Urzeitliche Programmierung auf Süßes
„Die Vorliebe für Süßes ist uns buchstäblich in die Wiege gelegt. Für unsere Vorfahren war der süße Geschmack sogar überlebenswichtig. Denn süßer Geschmack zeigte an: Ist ungiftig, essbar und ist sogar nahrhaft.“ So steht es in der Broschüre Faktencheck Zucker der Zuckerlobby geschrieben. Robert Lustig, ein US-amerikanischer Kinderarzt, schreibt hierzu: „Wir werden also von Süße standardmäßig angezogen. Wie oft müssen Eltern ein neues Lebensmittel anbieten, bevor ein Baby es annimmt? Etwa 10 bis 13 Mal. Doch wenn diese neue Nahrung süß ist, wie viele Versuche sind dann erforderlich? Ein einziger.“.
Genau diese urzeitlichen Programme werden in der industriellen Nahrungsmittelproduktion eingesetzt. Wer mehr über die Hintergründe dieser Programme erfahren möchte und wie bereits das Essverhalten der Mutter in der Schwangerschaft Einfluss auf den Fötus nehmen kann, dem seien die Seiten 9 ff. dieser Doktorarbeit empfohlen.
Ziel der Lebensmittelindustrie ist es, den optimalen Salz-, Fett- und/oder Zuckergehalt zu finden, sodass für die meisten Verbraucher das Produkt optimal schmeckt. Für diesen Sättigungsgrad gibt es sogar eine eigene Bezeichnung – Bliss Point. Auf Deutsch: Glückspunkt. Die Lebensmittelbranche spricht diesbezüglich auch vom Präferenztest. Unser Gehirn reagiert bei solchen Lebensmitteln mit einer Belohnung in Form einer Endorphinausschüttung. Dadurch entsteht die Lust, dieses erneut zu essen. Bei Wiederholung hat das Einfluss auf die Dopaminausschüttung. Dopamin ist ein Neurotransmitter, der auch als Glückshormon bezeichnet wird. Kokain wirkt ähnlich, indem es die Wiederaufnahme von Dopamin hemmt, wodurch der Dopaminspiegel längere Zeit im Gehirn höher gehalten wird. Bei längerem Konsum dieser Droge reagiert das Gehirn bereits vor der Einnahme mit einer erhöhten Ausschüttung von Dopamin in „freudiger Erwartung“. Das Gehirn wurde auf diese Droge konditioniert, wie die Speicheldrüsen der Pawlowschen Hunde auf das Läuten der Glocke.
Bei Süßgetränken wird teilweise soviel Zucker hinzugegeben, um die urzeitliche Programmierung möglichst für mehr Konsum zu nutzen, dass es den meisten Menschen übel werden würde. Um das zu verhindern, wird beispielsweise Citronensäure hinzugefügt. Damit wird die Übelkeit vermieden und die maximale Zuckerdosis kann gesteigert werden. Schauen Sie einmal auf die Inhaltsstoffe von Limonaden und Energy-Drinks, was dort enthalten ist. Wetten, dass Sie fast überall Citronensäure finden? Süßes und Saures in Kombination ist also ein guter Trick.
Zucker tut nicht weh und schmeckt gut
Alkohol und Tabak schmeckt Kindern in der Regel nicht. Allein schon deshalb konsumieren Kinder dies nicht. Bei Alkohol hat man in den 2000er Jahren das Thema versucht zu „lösen“, indem man Zucker hinzugab. Heraus kamen die damals bei Jugendlichen sehr beliebten Alkopops. Durch Einführung einer Sondersteuer auf Alkopops 2004 betrugen die Steuereinnahmen daraus 9,62 Milliarden Euro. Ab 2006 sank diese Steuereinnahme jährlich, bis sie zuletzt 2017 „nur“ noch bei 2,02 Milliarden Euro lag.
Trinken wir etwas, das giftig für uns ist, schmeckt es meist auch ekelhaft und wir spucken es gleich wieder aus, bevor es in unseren Körper kommt. Hat diese Schutzmaßnahme nicht funktioniert, versucht der Körper durch Erbrechen oder Durchfall, die Giftstoffe wieder los zu werden. Bei Zucker reagieren Kinder nicht negativ. Wie oben beschrieben sorgen unsere urzeitlichen Programme genau für die gegenteilige Reaktion. Immer mehr Studien kommen zum Ergebnis, dass uns übermäßiger Zuckerkonsum mittel- bis langfristig krank macht. Anders, als wenn wir uns vergiften, spüren wir es nur nicht sofort. Es dauert Jahre bis Jahrzehnte, bis die Schäden sich so weit kumuliert haben, dass Krankheiten entstehen.
Aufklärung, Verhaltensänderung oder Verbote und Steuern?
Wie können wir diese Themen lösen? Besonders wichtig ist die richtige Aufklärung. Diese muss bereits im Kindergarten beginnen. Aber natürlich auch im Bereich der Erwachsenenbildung ist das wichtig. Denn was im Kindergarten erzählt wird, sollte zu Hause gelebt werden. Bei Stoffen, die Suchtpotenzial haben, ist eine Verhaltensänderung rein durch Aufklärung jedoch nicht immer ganz einfach. Vor allem wenn es sich, wie oben beschrieben, um Stoffe handelt, die unsere urzeitlichen Programme ansprechen.
Wenn wir diese Aspekte betrachten, ist die Forderung der Kinder- und Jugendärzte eines Werbeverbotes für entsprechende Lebensmittel aus meiner Sicht zumindest diskussionswürdig. Auf jeden Fall, wenn sie sich direkt an die Kleinsten unter uns richtet. Hierzu sei noch einmal Robert Lustig erwähnt: „Die Kontrolle des Umfelds ist wichtig. Nichts schränkt den Zuckerverzehr besser ein, als eine Limitierung der Verfügbarkeit. Und das bedeutet eine Zugangsbeschränkung. Insbesondere für Kinder.“
Chrissle
Vor 5 JahrenIch habe bei meinen beiden Kindern immer sehr darauf geachtet, dass nicht zu viel Zucker gegessen wird. Aber die Werbungen machen das natürlich nicht einfacher, gerade die Werbungen von Kinder sind ja wirklich an die Kids gerichtet und dementsprechend interessant für sie, ich durfte mir das dann auch immer anhören, dass sie das unbedingt haben wollen. Und da muss dazu gesagt werden, dass beide nie wirklich viel vor dem Fernseher saßen..
Joachim Haid
Vor 5 JahrenGenau diese auf Kinder ausgerichtete Werbung finde ich sehr bedenklich. Das torpediert jegliche Erziehung der Eltern.
2 Kommentare
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kommentierenChrissle
Vor 5 JahrenIch habe bei meinen beiden Kindern immer sehr darauf geachtet, dass nicht zu viel Zucker gegessen wird. Aber die Werbungen machen das natürlich nicht einfacher, gerade die Werbungen von Kinder sind ja wirklich an die Kids gerichtet und dementsprechend interessant für sie, ich durfte mir das dann auch immer anhören, dass sie das unbedingt haben wollen. Und da muss dazu gesagt werden, dass beide nie wirklich viel vor dem Fernseher saßen..
Joachim Haid
Vor 5 JahrenGenau diese auf Kinder ausgerichtete Werbung finde ich sehr bedenklich. Das torpediert jegliche Erziehung der Eltern.