- Von Joachim Haid
- 12.12.2019 um 10:42
Zur Ermittlung des individuellen Risikos werden bei bestimmten Versicherungssparten nicht nur Gesundheitsfragen gestellt, sondern seit vielen Jahren auch Lifestyle-Fragen. Der Klassiker ist die Frage nach dem Rauchen oder nach Tabakkonsum allgemein, sowie der Häufigkeit und der Menge des Alkoholgenusses. Da allgemein bekannt ist, dass Tabak-, wie auch übermäßiger Alkoholkonsum, das Erkrankungsrisiko und damit den Leistungsfall wahrscheinlicher machen, kommen beim Tabak Zuschläge zum Einsatz, beziehungsweise erhält der Nichtraucher einen Beitragsrabatt. Heute ist bekannt, dass es viele zusätzliche Faktoren gibt, die das Erkrankungsrisiko erhöhen. Übergewicht wird daher nun auch bei der Gesundheitsprüfung berücksichtigt.
Ist das Kollektiv in Gefahr?
Fehlernährung jedoch nicht. Obwohl seit Jahrzehnten bekannt ist, dass beispielsweise übermäßiger Zuckerkonsum im Laufe der Jahre eine wesentliche Ursache und Auslöser vieler Zivilisationskrankheiten ist, findet das im Versicherungsbereich nahezu keine Berücksichtigung. Lediglich wenn sich bei der Beantwortung von Gesundheitsfragen bereits erste Hinweise ergeben, wird im Rahmen der Laborwerte auch der Langzeitzuckerwert HbA1c abgefragt.
Selbst wenn die Angabe dieses Wertes zum Standard würde, wäre es nur eine aktuelle Momentaufnahme der Situation zum Zeitpunkt der Antragstellung und der vorangegangenen rund drei Monate. Betrachtet man die Entwicklung von Übergewicht und Adipositas in dern vergangenen Jahzehnten, so kann man hier durchaus von einer epidemischen Entwicklung sprechen. Allein in Deutschland stieg von 1999 bis 2013 der Anteil adipöser Männer um 40 Prozent (Frauen: 24,2 Prozent). Der Anteil übergewichtiger Männer stieg im gleichen Zeitraum um 8,3 Prozent (Frauen: 4,5 Prozent). Und die Daten von Statista zeigen auch nach 2013 einen weiter steigenden Trend.
2015 betrugen die direkten Krankheitskosten für Adipositas bereits rund 1,1 Milliarden Euro pro Jahr. Von Adipositas wird ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 gesprochen. Die Kosten für Übergewicht sind hier noch nicht enthalten. Hinzu kommen die Kosten, die sich indirekt durch Übergewicht ergeben. Beginnend beim naheliegenden Thema orthopädischer Schäden bei Knorpeln und Gelenken, bis hin, dass das Organfett stoffwechselaktiv ist und proentzündliche Stoffe (Zytokine) ausschüttet. Hierdurch können stille Entzündungen entstehen, deren langfristiges Vorhandensein viele der heutigen Zivilisationskrankheiten begünstigen, oder sogar direkt auslösen können. Zu nennen sind hier etwa Diabetes, Atherosklerose, Schlaganfall, Herzinfarkt, Rheuma bis hin zu bestimmten Krebsarten.
Weiterhin begünstigt eine typische westliche Ernährungsweise mit hohem Kohlenhydratanteil, wenig gesunden und mehr ungünstigen Fetten wie Transfetten aus Frittiertem und industriellen Gebäck neben geschädigten Zellwänden eine Fehlbesiedlung im Darm. Diese kann wiederum zu Autoimmunerkrankungen mit beitragen, oder bestehende verschlimmern. Beginnend bei eher harmlosen Allergien wie Heuschnupfen, über Asthma bis hin zu sehr ernsthaften Erkrankungen wie Hashimoto (Schilddrüse), Colitis Ulcerosa, Morbus Crohn und Multiple Sklerose. Auch viele psychische Erkrankungen können ihren Ursprung im Darm nehmen. Gleiches gilt für neurologische Krankheiten wie beispielsweise Alzheimer.
War vor 40 Jahren der adipöse Kunde im Kollektiv eher die Ausnahme und gab es nur wenige Übergewichtige, so sind wir langsam auf dem Weg dahin, dass der Normalgewichte im Laufe der Versicherungsdauer zur Ausnahme wird. Das Einzelrisiko, welches im Kollektiv aufgefangen wurde, wird damit zum Massenphänomen. Dies verursacht einen erheblichen Kostendruck auf das Gesundheitswesen und damit auch auf gesetzliche und private Versicherungen.
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