- Von Lorenz Klein
- 03.08.2020 um 11:52
Eine Frau wird zu der Zeit, in der sie sich in psychotherapeutischer Behandlung befindet, immer wieder von ihrer Krankenkasse angerufen und über die Fortschritte der Sitzungen ausgefragt. Dass diese Angaben freiwillig seien, habe ihr die Barmer Ersatzkasse, bei der sie versichert sei, nicht mitgeteilt. Über solche und ähnliche Fälle hat die „Hamburger Morgenpost“ am Samstag berichtet.
Das Boulevard-Blatt beruft sich unter anderem auf Angaben der Verbraucherzentrale Hamburg – dort lägen „einige solcher Fälle vor“, wie es heißt. Torsten Michels, Vizepräsident der Psychotherapeutenkammer Hamburg, erklärte gegenüber der Zeitung, dass dieses Vorgehen von Krankenkassen „tatsächlich ein großes Problem“ sei.
Zuletzt berichtete Pfefferminzia im März darüber, dass es gerade bei länger dauernden Psychotherapien vorkomme, dass sich Patienten von ihren Krankenkassen bedrängt fühlten. Das hätten rund 100 durch den Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (BVVP) dokumentierte Fälle gezeigt.
Jeder Zweite fühlt sich stark belastet
Krankenkassen üben Druck auf Psychotherapie-Patienten aus
„Patienten werden dadurch sehr verunsichert, bekommen Angst und stellen teilweise ihre Psychotherapie in Frage“, wird Psychotherapeut Michels nun in dem aktuellen „Morgenpost“-Bericht zitiert. Statt zur Genesung beizutragen, wie es die Kassen suggerierten, wirkten die Anrufe „einer schnellen Wiedereingliederung in den Beruf eher entgegen“. Es sei immer ein störender „nicht nachvollziehbarer Eingriff“, so Michels weiter, weil die Behandlungen „ja bereits von den Krankenkassen bewilligt sind“.
Ob die Krankenkassen mit ihren Anrufen gesetzeswidrig handeln, hängt davon ab, wie die Telefonate konkret verlaufen. Den rechtlichen Rahmen hierfür bietet das Versorgungsstärkungsgesetz von 2015, das den Versicherten einen Anspruch auf Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkasse ermöglichen soll.
Einzelheiten der Therapie sind tabu
Allerdings müssten die Anbieter „auf die Freiwilligkeit der Angaben hinweisen und auch erklären, dass es keine Nachteile für die Menschen gibt, wenn man sich nicht äußern möchte“, wird Hans-Jürgen Köster von der Verbraucherzentrale Hamburg in der „Morgenpost“ zitiert. Das geschehe oft nicht, stattdessen würde auf die sogenannte „Mitteilungspflicht“ gepocht, so Köster. Häufig missbrauchen Krankenkassen diese Regelung, um an mehr Daten ihrer Versicherten zu kommen, so der Vorwurf. Einzelheiten der Therapie gingen die Krankenkassen grundsätzlich nichts an. „Allenfalls könnten solche Daten vom medizinischen Dienst der Krankenkassen erhoben werden – und dann auch nicht am Telefon“, stellt Köster klar.
Wo sich Betroffene beschweren können
Wer sich als gesetzlich Versicherter über die Anrufe der Kassen beschweren möchte, muss sich an das zuständige Bundesamt für soziale Sicherung (BAS) wenden. Das BAS hatte bereits zwischen 2016 bis 2018 insgesamt 19 Krankenkassen unter die Lupe genommen – damals ging es um die Beratung und die Hilfestellung der Kassen beim Thema Krankengeldbezug. „Dabei wurden Mängel in der Aufklärung der Betroffenen festgestellt“, beruft sich die Zeitung auf eine aktuelle Stellungnahme des BAS. „Es wurde beispielsweise bei der Kontaktaufnahme nicht immer eine schriftliche Einwilligung der Versicherten eingeholt“, heißt es. Gegen insgesamt neun Krankenkassen sei die Behörde aufsichtsrechtlich vorgegangen, „da diese das Beratungsangebot rechtswidrig auf private Dienstleister ausgelagert hatten“.
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