- Von Joachim Haid
- 24.05.2019 um 10:08
Jeder kennt das, man verletzt sich und wenige Stunden später beginnt die Wunde zu schmerzen. Sie rötet und erwärmt sich, schwillt an und eitert ein paar Tage später. Klassische Zeichen einer akuten Entzündung. Das ist zwar lästig, kann jedoch überlebenswichtig sein und ist der erste Weg zur Heilung. Die Wärme, das „Entzündungsfeuer“, entsteht, da die Blutgefäße sich weiten, damit Immunzellen das beschädigte Gewebe leichter erreichen können. Außerdem können Schlacken somit besser abtransportiert werden. Im Englischen werden Entzündungen „Inflammation“ genannt, was vom lateinischen Wort für Entzündung „inflammatio“ abstammt.
Die Schwellung ist bedingt durch den Eintritt von Gewebsflüssigkeiten, und der Schmerz erinnert einen daran, den verletzten Bereich zu schonen. All das sind sinnvolle Maßnahmen des Körpers, um die Heilung der Verletzung einzuleiten. Deshalb wird diese Form der Entzündung auch Heilentzündung genannt.
Chronische, stille Entzündungen
Es gibt aber auch andere Entzündungen. Jene, die man von außen oftmals nicht wahrnehmen kann. Sie schmerzen nicht und verlaufen Jahre und Jahrzehnte ganz still und heimlich im Verborgenen. Genau deshalb werden sie auch stille Entzündungen genannt. Die hauptsächlichen Auslöser dieser chronischen Entzündungen sind Fehlernährung, Umweltgifte und psychischer beziehungsweise oxidativer Stress.
Gehen wir ein paar zehntausend Jahre zurück. Einer unserer Vorfahren steht in der afrikanischen Steppe einem gefährlichen Fressfeind gegenüber – einem Säbelzahntiger! Panik. Lebensgefahr. Stress pur! Sofort beginnt der Körper Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol auszuschütten. Das Cortisol unterbricht unverzüglich die Verdauungsaktivitäten. Der Blick fokussiert sich. Bestimmte „Darmschleusen“, die sogenannten Tight Junctions, öffnen sich, damit leichter Glucose in die Blutbahn übertreten kann. Der Herzschlag erhöht sich, die Adern weiten sich, um mehr Sauerstoff zu den Muskeln transportieren zu können. Bestimmte Immunzellen werden aktiviert, um möglichst schnell auf eventuelle Verletzungen reagieren zu können. Der komplette Körper ist im Kampf- oder Fluchtmodus (Fight or Flight).
Das waren damals sinnvolle Reaktionen. Wurde der Mensch bei einem Kampf verletzt, konnte der Körper gleich mit der Heilung beginnen und eventuell in Wunden eindringende Bakterien und Viren abwehren. Gelang die Flucht, oder war der Kampf erfolgreich, normalisierte sich der Cortisolspiegel wieder schnell, der Körper schaltete in den normalen Modus zurück. Das Überleben war gesichert.
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Was früher der Säbelzahntiger war, ist heute der Chef
Auch heute noch reagiert unser Körper auf Stress exakt wie damals. Nur dass der ausgestorbene Säbelzahntiger heute der Chef ist, der einem einen Aktenberg nach dem anderen auf den Tisch legt – oder permanent ansteigende gesetzliche Regulierungen bei gleichzeitiger Diskussion über die Reduktion der Vergütung, welche einem das Leben als Vermittler immer schwerer, ja, stressiger machen. Während unsere Vorfahren entweder durch erfolgreiche Flucht oder Kampf den Cortisolspiegel wieder normalisieren konnten, kann der Mitarbeiter dem Chef weder davonlaufen, noch wäre es zuträglich, mit ihm – oder Politkern – einen körperlichen Kampf zu führen. So bleiben die Stresslevel chronisch erhöht. Dadurch wird das Immunsystem unterdrückt, so funktioniert auch Cortison. Das kann zu chronischen Entzündungen führen. Silvia Bürkle, Expertin für Ernährungstechnik, schreibt dazu in ihrem Buch „Heimliche Entzündungen“:
„Dieser Zustand benötigt viel Energie, was dazu führen kann, dass sich Betroffene oftmals müde und geschafft fühlen. Es stehen längerfristig keine Ressourcen mehr zur Verfügung. Wenn keine Gegenmaßnahmen getroffen werden, werden den unterschiedlichsten Erkrankungen, wie zum Beispiel Diabetes Typ II, Arthrose, Herzinfarkt, Schlaganfall, Krebs oder Alzheimer, auf Dauer Tür und Tor geöffnet“. Wie nennt man diese Erkrankungen heute? Genau – Zivilisationskrankheiten.
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