- Von Joachim Haid
- 13.06.2019 um 14:40
Ein Umdenken ist notwendig
Seitdem es Menschen gibt, sind sie von Bakterien besiedelt. Sie leben auf unserer Haut, in unseren Schleimhäuten, unserem Mund, unserer Nase und vor allem in unserem Darm. Seit einigen Jahren erkennen wir immer mehr, wie wichtig diese Bakterien für uns sind. Sie helfen uns dabei, Nahrung zu verdauen, die für uns sonst unverdaulich wäre wie zum Beispiel Ballaststoffe. Die Mikroben produzieren für uns lebenswichtige Vitamine, die wir selbst nicht herstellen können und Stoffe wie Butyrat (Salze der Buttersäure). Butyrat dient den Zellen unserer Darmschleimhaut als Nahrung und hält diese damit gesund und funktionsfähig. Bakterien trainieren unser Immunsystem, damit es nicht überreagiert und sie schützen uns vor krankmachenden Keimen. Ist unsere Darmschleimhaut mit den Mikroben besiedelt, die dort hingehören, lassen sie den ungewünschten kaum Raum zum Wachsen.
Nützlich und schädlich – Bakterien haben viele Funktionen
Weiterhin gibt es Bakterien wie Viridans-Streptokokken. Ursprünglich wurden sie für Krankheitserreger gehalten, da sie Herzklappeninfektionen auslösen können. Heute wissen wir, dass sie zu den üblichen Bewohnern in unserem Mund gehören und nur dann problematisch werden, wenn sie in die Blutbahn gelangen und auf eine bereits geschädigte Herzklappe treffen. Interessant an dieser Streptokokken-Art ist, dass sie eine andere krankmachende Art (Streptokokken der Gruppe A) verdrängen. Diese lösen unter anderem Halsentzündungen, Entzündungen der Nasennebenhöhlen und Scharlach aus. Bleiben die Viridans dort, wo sie hingehören, beschützen sie uns also, obwohl sie auch Krankheiten auslösen könnten.
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Tipps zum richtigen Umgang mit Antibiotika
Gibt es also überhaupt gute und böse Bakterien? Immer mehr erkennen wir, dass es weniger um gut und böse als um die richtige Balance der Mikroben untereinander geht. Weiterhin, dass sie sich am richtigen Ort befinden. Führen wir jedoch bei jeder geringsten Erkrankung mit Antibiotika einen Generalangriff auf unser Mikrobiom, zerstören wir diese Balance und schaden uns damit letzten Endes selbst. Fehlen uns die richtigen Bakterien in der richtigen Menge an der richtigen Stelle, schwächen wir unsere Immunabwehr, werden damit anfälliger für krankmachende Keime und brauchen noch mehr Antibiotika. Ein Teufelskreislauf, aus dem wir dringend ausbrechen sollten. Jeder kann hierzu beitragen:
- Antibiotika möglichst nur bei massiven Infektionen nehmen, nicht beim einfachsten Schnupfen
- Möglichst Produkte aus der Bio-Landwirtschaft verwenden. Hier werden Antibiotika nur eingesetzt, wenn es gar nicht anders geht, und das Fleisch darf erst nach deren Abbau in Verzehr gebracht werden.
- Desinfektionsmittel im Haushalt sind in der Regel nicht notwendig und sollten dem ärztlichen Bereich vorbehalten bleiben. Wasser und Seife sind auch beim Händewaschen völlig ausreichend.
- Auf eine ausgewogene Ernährung mit Ballaststoffen achten. Diese sind Futter für unsere schützenden Darmbakterien.
Wie in der Persönlichkeitsbildung geht es beim Umgang mit Bakterien in den meisten Fällen nicht darum, an unseren Schwächen zu arbeiten und die „bösen“ Bakterien zu bekämpfen. Viel eher sollten wir unsere Stärken stärken. Also unsere schützenden Mitbewohner hegen und pflegen und endlich aufhören, diese pauschal zu bekämpfen. Mikroben gab es schon lange vor dem Menschen. Die meisten brauchen uns nicht zum Überleben. Wir sie aber schon!
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