- Von Lorenz Klein
- 18.07.2022 um 13:34
Nein, das Wort „Kostenerstattung“ weckt keine Emotionen – es riecht irgendwie amtsschimmelig und lässt einen an Leistungsabteilung A bis K denken, den Gang runter, gleich neben der Radiergummi-Ausgabe. Insofern überrascht es nicht, wenn die Vorstände der privaten Krankenversicherer (PKV) schon seit einigen Jahren betonen, sich vom reinen Kostenerstatter zum digitalen Gesundheitsdienstleister wandeln zu wollen.
Doch folgen ihnen die Kunden auf diesem Weg? Nun, die Experten der Ratingagentur Assekurata wollten genau das herausfinden und führten dazu im Frühjahr eine Umfrage unter 13 Krankenversicherern durch, die zusammen immerhin einen Marktanteil von 68 Prozent bei den vollversicherten Personen auf die Waage bringen. Auf die Frage, ob digitale Gesundheitsanwendungen zukünftig einen hohen Kundennutzen darstellen werden, erklärten zwar nur 13 Prozent der Befragten, dass dies „weniger“ oder „gar nicht zutrifft“.
Ist der Wandel bei den Kunden angekommen?
Da sich zugleich aber nur 7 Prozent für ein klares „trifft vollkommen zu“ entschieden, zogen die Studienautoren daraus die Erkenntnis, dass unter den Gesellschaften „kein eindeutiges Stimmungsbild zum Kundennutzen digitaler Gesundheitsanwendungen“ herrsche. Zwar entschied sich die große Mehrheit von 80 Prozent zu gleichen Teilen für ein „trifft zu“ beziehungsweise ein „trifft weitgehend zu“ – aber die ganz große Begeisterung ist daraus nicht zu erspüren. Vielleicht liegt’s auch daran, dass der Wandel der Gesellschaften noch gar nicht wirklich bei den Kunden angekommen ist?
Wie Versicherer der Preisvergleichsfalle entkommen
„Das Thema Krankenversicherung und Beihilfe kommt immer an erster Stelle“
Der Bekanntheitsgrad von Gesundheitsservices in der PKV sei im Vorjahresvergleich sogar leicht rückläufig, wie es bei Assekurata heißt. Gleichzeitig steige der Anteil derer, die in Eigenrecherche nach genau diesen Services suchten. „Während sich Kundenportale und -apps zunehmender Beliebtheit er freuen, haben die Versicherer Schwierigkeiten, die Kunden mit weiteren Services zu erreichen“, schreiben die Autoren. So seien die digitalen Gesundheitsanwendungen größtenteils noch unbekannt und würden kaum genutzt.
Versicherungsmakler Sven Hennig dürfte das nicht überraschen – zweifelt er doch die Inhalte so mancher PKV-Angebote an. „Diese ganzen Apps, wie: ,Ich zeige dir, wie du dein Rückentraining machen sollst‘, sind nicht so richtig zielführend und nutzt zumindest in meinem Kunden kreis auch kaum jemand.“ Was hingegen sehr wohl genutzt werde, seien telemedizinische Anwendungen, meint Hennig: „Ich habe Beschwerden, wähle mir eine Fachrichtung und einen Arzt aus, erhalte eine Videopräsentation und im Zweifel auch das Rezept und meine Krankschreibung.“ Auf der anderen Seite gebe es aber auch viele oberflächliche digitale Angebote der PKV-Unternehmen – sei es eine Rückenschule, ein Bewegungstraining oder ein Lauf-Tracking. „Das haben die Leute heute alle im Wesentlichen schon über ihre eigenen Apps und über das, was die heutigen Smartphones ohnehin können – und da braucht es nicht noch einen Versicherer“, sagt Hennig.
Rechnungs-Apps oder Gesundheitsportale inzwischen weitläufig etabliert
Für sinnvoll hält der Makler unter anderem eine digitale Vermittlung von Psychotherapiestellen, „wenn der Kunde vor Ort keine Möglichkeit hat, einen Therapeuten zu finden – und um dann viel leicht auf eine Videosprechstunde oder auf eine telefonische Konsultation abzustellen“. Solche Angebote brächten aber nur dann etwas, wenn sie auch wirklich „einen aktiven Behandler dahinter haben“. Also bitte keine Apps à la „Wir müssen mal Achtsamkeit lernen und uns Kauf uns selbst zurückziehen“, so Hennig.
Kilian Gundlach, Manager des Beraterhauses Zeb Consulting, kann zunächst berichten, dass allgemeine Services wie Rechnungs-Apps oder Gesundheitsportale in der PKV inzwischen weitläufig etabliert seien (siehe Grafik). Felder wie die Telemedizin oder Services rund um Zweitmeinungsangebote verzeichneten wiederum einen „nach wie vor soliden Anstieg“, schildert Gundlach auf Basis einer Zeb-Studie, die das digitale Leistungsangebot von 29 Anbietern privater Krankenversicherungen zu Anfang des Jahres durchleuchtete. Deutlich stärker wuchsen demnach präventive und akute Services wie etwa Angebote rund um Schlafstörungen oder Ernährung. „Diese wurden vor allem über Kooperationspartner und Netzwerke ausgebaut und dürften auch in Zukunft an Bedeutung zunehmen“, prognostiziert Gundlach.
Seite 2: Mix aus persönlicher Betreuung und digitalen Angeboten
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