- Von Redaktion
- 11.05.2016 um 10:44
Die Lage ist nicht rosig. Galten Privatpatienten lange als Besserverdiener zeigen die Zahlen nun etwas anderes: Nach Angaben des Verbands der Privaten Krankenversicherungen (PKV) waren zum 31. Dezember 2015 in den Sozialtarifen 191.000 Menschen versichert. Allein 115.800 davon mussten in den Notlagentarif mit stark eigeschränkter Versorgungsleistung wechseln, weil sie Beitragsschulden bei ihrer Versicherung angehäuft hatten. Im Basistarif waren zum Stichtag 29.400 Personen versichert, im Standardtarif 45.800.
Gegenüber der ZDF-Sendung Frontal 21 erklärte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Hilde Mattheis, dass die Zahlen ein Zeichen dafür seien, dass das System auf Dauer nicht funktioniere. Wenn immer mehr Menschen in Sozialtarifen versichert seien, werde das Problem der „Zweiklassenmedizin“ offensichtlich. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hingegen will das PKV-System nicht infrage stellen.
>>> Hier geht es zum Video der Sendung.
Die privaten Krankenversicherer müssen seit 2009 einen Basistarif anbieten. Er ist für Personen gedacht, die nachweislich hilfebedürftig sind. Im Basistarif halbiert sich der Beitrag, den Rest übernimmt das Grundsicherungsamt. 2013 kam der Notlagentarif dazu. Hier liegt der Beitrag bei etwas mehr als 100 Euro. Dafür gibt es aber auch nur Leistungen bei unbedingt notwendigen medizinischen Leistungen, etwa bei akuten Schmerzen.
Der Frontal-21-Beitrag berichtet vom Privatversicherten Heinz Jürgen Außmann. Er hat 40 Jahre als Zaunbauer gearbeitet, war lange Zeit selbständig. Irgendwann lief das Geschäft nicht mehr und er konnte sich die Beiträge für seine private Krankenversicherung nicht mehr berappen. Er häufte Beitragsschulden an. 2014 beantragt er Grundsicherung im Alter. Damit steht ihm der Weg in den Basistarif offen. Acht Seiten Fragebogen füllt Außmann aus, reicht die Dokument ein. „Dann hab ich gedacht, ich wär in dem Basistarif drin“, sagt Außmann.
Fehlende Unterlagen nicht eingefordert
War er aber nicht. Das Sozialamt zahlt nach wie vor für seinen alten, teureren PKV-Tarif. Nach einem Rippenbruch muss Außmann zum Arzt. Er reicht die Arztrechnungen ein, der Versicherer erstattet das Geld aber nur zum Teil, den Rest verrechnet sie mit seinen Schulden.
Offensichtlich haben für den Wechsel in den Basistarif noch Unterlagen gefehlt. Warum der Versicherer nicht nachgehakt hat, fragen die Journalisten: „Aus unserer Sicht gibt es keine Verpflichtung im Rahmen einer Beratungspflicht seitens des Versicherers, den Kunden in einem zeitlichen Abstand an die Erledigung zu erinnern“, antwortet die Hanse-Merkur daraufhin.
Eindeutiger Beratungsbedarf
Für KVProfi Thorulf Müller ein klares Versäumnis: „Das steht eindeutig im Versicherungsvertragsgesetz, dass der Versicherer eine Beratungspflicht hat. Und wenn ich meine Beiträge nicht zahlen kann oder wenn ich Sozialhilfeempfänger werde, ist das nun wahrlich ein Anlass für eine Beratung, die der Versicherer durchzuführen hat.“
Der Verein „Armut und Gesundheit in Deutschland“ kennt viele solcher Fälle. Dort melden sich immer häufiger Privatpatienten, die auf Hilfe angewiesen sind. „Das Ganze hat existenziell bedrohliche Facetten“, sagt Vereins-Mitarbeiter Gerhard Trabert gegenüber Frontal 21. Gerd Güssler vom KVpro-Branchendienst relativiert: „Man muss fairerweise sagen, dass die Krankenversicherer extrem unter Druck stehen.“
Wird die Finanzierung künftig ein grundsätzliches Problem und die PKV ein Auslaufmodell? Nein, bescheinigt Minister Gröhe. Zwar gebe es Weiterentwicklungsbedarf, aber das stelle die zwei Säulen in der Versicherung nicht infrage.
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