- Von Andreas Harms
- 01.11.2024 um 12:05
Die deutschen privaten Krankenversicherer haben sich von der abrupten Zinswende 2022 offenbar noch nicht allzu gut erholt. Zu der Erkenntnis gelangte das Analysehaus Metzler Ratings im Rahmen seines neuen PKV-Qualitäts-Ratings. Darin erreichen mit Allianz und Inter lediglich zwei private Krankenversicherer die zweithöchste Note von AA+. Das Spitzen-Rating AAA erreichte keiner.
Insgesamt besah sich Metzler Ratings die 25 größten privaten Krankenversicherer (PKV) in Hinblick auf das Geschäftsjahr 2023. Dabei ging es um stille Reserven, stille Lasten und die Ertragslage.
Stille Lasten entstehen, wenn Versicherer Wertpapiere (auch Anleihen) kaufen, und deren Kurs anschließend unter den Einkaufskurs fällt. Dann muss dieser neue Kurs zwar nicht in der Bilanz erscheinen, und der Verlust drückt auch nicht auf den Unternehmensgewinn. Aber er erscheint als stille Last im Geschäftsbericht (Wie die Häuser damit umgehen, ist höchst unterschiedlich).
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Das kann auch bei PKV-Anbietern passieren. Denn diese Häuser bilden für ihre Versicherten Alterungsrückstellungen – Rücklagen, die später im höheren Alter die Beiträge entlasten sollen. „Die Alterungsrückstellungen legen die PKV-Anbieter am Kapitalmarkt an. Und damit sind sie genauso von dessen Entwicklungen betroffen wie Lebensversicherer – wenn auch in geringerem Ausmaß“, sagt Metzler-Ratings-Chef Marco Metzler und folgert: „Deshalb wurde und wird die PKV-Branche ebenfalls von der abrupten Zinswende kräftig durchgeschüttelt.“
Ende 2021 verzeichnete Metzler für die PKV-Branche noch stille Reserven von 13,3 Prozent, gemessen an den gesamten Kapitalanlagen in der Bilanz. Diese rutschten 2022, als der Anleihemarkt wegen der Zinswende einbrach, ins Minus und wurden zu stillen Lasten von 10,6 Prozent. Ende 2023 hatte sich das alles wieder ein bisschen berappelt – die stillen Lasten lagen dann bei 3 Prozent, was laut Metzler rund 10 Milliarden Euro entspricht.
Doch das ist nur der Mittelwert. Mit Allianz, Inter und Universa verzeichnen drei PKV-Anbieter inzwischen wieder stille Reserven. Hallesche, Württembergische, Axa, Süddeutsche, R&V und Gothaer tragen hingegen stille Lasten von mindestens 6,5 Prozent herum.
Immobilienprobleme auch in der PKV
Hinzu kommen mögliche Verluste aus Immobilienanlagen. Nicht wenige Versicherer waren vor der Zinswende aus dem Niedrigzinsmarkt auf Immobilien als Anlageklasse ausgewichen. Doch auch dort hinterließ die Zinswende Spuren in Form gesunkener Objektpreise und pleitegegangener Projektentwickler und Bauträger (was übrigens auch schon bei Lebensversicherern gilt).
Für alle Alterungsrückstellungen in der PKV-Branche verzeichnet Metzler für 2023 eine Nettorendite von 2,7 Prozent. Die Spanne reicht von 3,5 Prozent in der Spitze (Allianz) bis 1,4 Prozent im Tief (LKH). Fairerweise muss man dazusagen, dass das nur eine übergreifende Zahl ist, ohne weitere Details. Denn wenn ein Versicherer seine Anlagen bereinigt und dadurch stille Lasten realisiert, das Geld aber in vielversprechende Anlagen umschichtet – dann ist das gut für die Zukunft, drückt aber im Augenblick die Rendite. Es bleibt also spannend, wie es weitergeht.
In einem weiteren Schritt verdichtete Metzler mehrere Kennzahlen zur Sicherheitsmittelquote. Es sind Eigenkapital, freie Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen (RfB) und stille Lasten oder Reserven – in Bezug zu den gesamten Kapitalanlagen. Das Mittel dieser Sicherheitsmittelquote beträgt 3,7 Prozent, doch die Spanne kann sich sehen lassen, hier die Top 3:
- Inter (12,1 Prozent)
- Arag (11,8 Prozent)
- Hanse-Merkur (10,4 Prozent)
Und hier die fünf PKV-Anbieter mit Quoten unter null:
- Generali (-0,3 Prozent)
- Axa (-0,9 Prozent)
- Huk (-1,4 Prozent)
- Süddeutsche (-1,5 Prozent)
- Gothaer (-2,8 Prozent)
Aus Sicherheitsmittelquote und Ertragskraft erstellte Metzler jeweils Ratings von AAA bis C. Und diese Teile baute er gleichgewichtet zum Gesamt-Rating zusammen.
„Insgesamt ist die Situation der Krankenversicherer also noch immer eher schlecht“, urteilt Metzler zunächst, beruhigt aber sogleich wieder etwas: „Jedoch ist sie noch nicht als ernst oder gar existenzbedrohend einzustufen. Das belegen auch die stabilen Solvenzquoten der PKV-Anbieter.“
Die Ergebnisse zeigt die folgende Grafik:
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