Rechtsanwalt Björn Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht, für Gewerblichen Rechtsschutz sowie Informationstechnologierecht bei der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. © Jöhnke und Reichow
  • Von Redaktion
  • 31.08.2021 um 13:55
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Muss bei einer urlaubsbedingten Schließung einer Arztpraxis der Hauptwasserhahn vorher zugesperrt werden? Über diese Frage ist nach einer Überschwemmung Streit entbrannt. Fachanwalt Björn Jöhnke erläutert in seinem Gastbeitrag das aktuelle Urteil des Oberlandesgerichtes Celle zur gewerblichen Inhaltsversicherung.

Was war geschehen?

Eine Zahnarztpraxis beauftragt ein Unternehmen damit, eine Desinfektionsanlage in der Praxis zu installieren. Aus Urlaubsgründen schließt die Praxis danach für drei Wochen. Das Hauptwasserventil der Praxis wurde jedoch nicht abgesperrt. Und dann passiert es: Weil sich ein Verbindungsstück löst, wird die Rohrleitung in der Praxis undicht. Es kommt zu einer Überflutung, die sich bis ins Treppenhaus ergießt.

Der Inhalts- und Betriebsschließungsversicherer der Zahnarztpraxis reguliert den entstandenen Inhaltsschaden – verlangt aber ihrerseits von der Firma Schadensersatz. Denn die Versicherung ist der Ansicht, dass das „von ihr installierte Rohr, das zur Desinfektionsanlage hinführt, entgegen den anerkannten Regeln der Technik installiert“ worden sei. Die mit der Installation beauftrage Firma macht schließlich ein Mitverschulden des Versicherungsnehmers, also der Zahnarztpraxis, geltend – und klagt.

Gibt es Leistungen aus einem Haftpflichtversicherungsvertrag?

Somit galt es für das Oberlandesgericht (OLG) Celle zu prüfen, ob dem Versicherungsnehmer ein Mitverschulden zu Lasten gelegt werden kann. Eine Obliegenheitsverletzung liegt vor, wenn diejenigen zumutbaren Maßnahmen unterlassen werden, die ein vernünftiger Mensch nach Lage der Dinge ergreifen würde, um einen etwaigen Schaden von sich abzuwenden.

Das Urteil

Es wurde vom Gericht untersucht, welche Maßnahmen zur Verhinderung eines Wasserschadens zu treffen sind. Welche Maßnahmen zu treffen sind, richtet sich einzelfallabhängig nach Alter des Gebäudes und der Versorgungsleitungen sowie den jahreszeitlichen Witterungen. Dabei stellen die Richter in ihrem Urteil vom 7. April 2021 klar (Aktenzeichen 14 U 135/20): Nicht jede denkbare Gefahrenlage muss durch Vorsichtsmaßnahmen gesteuert werden, es müssen konkrete Anhaltspunkte für einen möglichen Schaden vorliegen.

Nur aufgrund des Umstands, dass ein Wasserschaden jederzeit – wenn auch unwahrscheinlich – eintreten könnte, lässt sich keine hinreichende Pflicht zur Gefahrenabwehr herleiten. Zusammengefasst lässt sich sagen: Die Verpflichtung bei jedem Verlassen einer Praxis die Wasserzuleitung zu sperren, lässt sich vorliegend nicht herleiten. Ein solches allzeitliches Vorsorgeverhalten wäre schlichtweg unüblich und deshalb auch im Ergebnis nicht zuzumuten.

Fazit und Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Celle überzeugt in Gänze. Zwar kann im Versicherungsfall dem Versicherungsnehmer unter Umständen eine Minderung der Versicherungsleistung drohen – und zwar dann, wenn dieser Obliegenheiten vernachlässigt. Diese müssen jedoch im Einzelfall überhaupt erst bestehen und sodann der genaue Inhalt festgelegt werden. Jeder Einzelfall könnte damit natürlich auch anders bewertet werden. Vorliegend geht das OLG Celle jedoch nachvollziehbar von keiner Obliegenheitsverletzung aus, weswegen ein Verschulden des Versicherungsnehmers gerade nicht angenommen werden kann.

Zur Kontrollobliegenheit des Versicherungsnehmers bei – beispielsweise – einem Leerstand des Wohngebäudes hatte das OLG Koblenz geurteilt, dass sehr wohl vertraglich bestimmte Kontrollpflichten für Versicherungsnehmer bestehen (siehe Urteil vom 29. April 2020, Az.: 10 U 2170/19). Von daher sollte jede Regulierungsablehnung einer Versicherung anwaltlich überprüft werden, damit keine Leistungsansprüche der Versicherten vereitelt werden.

Weitere rechtliche Praxisfälle mit entsprechenden Tipps für die Vermittlerpraxis werden auf dem für Vermittler kostenfreien digitalen Vermittler-Treff besprochen.

Über den Autor

Rechtsanwalt Björn Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht, für Gewerblichen Rechtsschutz sowie Informationstechnologierecht bei der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft.

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