Björn Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht, für Gewerblichen Rechtsschutz und IT-Recht in Hamburg. © Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte
  • Von Redaktion
  • 02.02.2023 um 15:39
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600 Personen umfasste der Patientenstamm einer Zahnärztin als sie ihre Praxis aufgeben wollte. Durfte dieser Bestand an eine andere Zahnarztpraxis verkauft werden? Der Bundesgerichtshof (BGH) befand: Nein. Die Hintergründe der Entscheidung sollten auch Versicherungsvermittler kennen, die Arztpraxen betreuen. Hier geht es zum Gastbeitrag des Fachanwalts Björn Jöhnke.

Was ist geschehen?

Im Fall vor dem Bundesgerichtshof (BGH) geht es um die Wirksamkeit eines Kaufvertrags über den Patientenstamm einer Zahnarztpraxis. Geklagt hatte ein niedergelassener Zahnarzt gegen eine Zahnärztin, die bis zum 30. Juni 2018 ebenfalls eine Praxis betrieb. 600 Personen umfasste der Patientenstamm.

Weil die Ärztin die Praxis aufgeben wollte, unterzeichneten beide Parteien am 25. Mai 2017 einen „Kaufvertrag [über den] Patientenstamm“. Der Vertrag sieht unter Paragraf 1 die Veräußerung des Patientenstamms vor sowie die künftige Versorgung der Patienten durch den niedergelassenen Zahnarzt.

Die Parteien vereinbarten deshalb unter anderem, die Telefonanrufe sowie die Aufrufe der Internetseite bei der bisherigen Praxis auf den Telefonanschluss beziehungsweise die Web-Domain des Käufers umzuleiten. Nach Paragraf 2 des Vertrags sollte mit vollständiger Zahlung des Kaufpreises die Patientenkartei der verkaufenden Ärztin mit sämtlichen Krankenunterlagen in das Eigentum und den Besitz des kaufenden Zahnarztes übergehen. Voraussetzung hierfür war, dass eine schriftliche Einwilligungserklärung der Patienten vorliegt.

Unabhängig von einer solchen Einwilligung sollte der Zahnarzt sowohl die manuell geführte Patientenkartei als auch die elektronische Patientenkartei für die Zahnärztin in Verwahrung nehmen. Der „Kaufpreis für den Patientenstamm sowie für die Domain und Telefonnummer (Goodwill)“ sollte nach Paragraf 3 des Vertrags 12.000 Euro betragen.

Zahnärztin weigert sich, den Vertrag zu erfüllen

In Paragraf 4 des Vertrages verpflichtete sich die Frau zwecks „Überleitung der Patienten“zudem, ihre Patienten über die Beendigung ihrer Tätigkeit als Zahnärztin und von der „Übernahme der Patienten“ rechtzeitig durch ein Rundschreiben zu informieren. Außerdem soll das Schreiben den Patienten empfehlen, die Behandlung beim „neuen Zahnarzt“ fortzusetzen und sie darum bitten, ihm künftig ihr Vertrauen zu schenken.

Nach Vertragsunterzeichnung holte die Zahnärztin zu dessen Inhalt vorsorglich eine Auskunft der Landeszahnärztekammer ein. Auf der Grundlage dieser Auskunft verweigerte sie die Erfüllung des Vertrags. Die im Vertrag enthaltenen Regelungen seien wegen Verstoßes gegen Verbotsnormen unwirksam.

Es kam zum Rechtsstreit. Die auf Erfüllung des Vertrags (Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises) gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) verfolgt der klagenden Käufer sein Begehren nunmehr weiter.

Verstoß gegen berufsrechtliche Vorschriften

Doch die Klage hat auch vor dem BGH keinen Erfolg. Die vom Berufungsgericht – jedenfalls im Ergebnis rechtsfehlerfrei – angenommene Nichtigkeit des Kaufvertrages der Parteien gemäß Paragraf 134 BGB ergebe sich daraus, so der BGH, dass die darin vereinbarte Veräußerung des Patientenstamms der Beklagten eindeutig gegen berufsrechtliche Vorschriften verstößt. Sie widerspreche insbesondere der Vorschrift des Paragrafen 8 Absatz 5 der Berufsordnung für die Bayerischen Zahnärzte vom 18. Januar 2006 (im Folgenden: BO), die als Verbotsgesetz im Sinne des Paragrafen 134 BGB anzusehen sei. Bereits danach sei der im Streit stehende „Verkauf eines Patientenstamms” rechtlich nicht möglich.

Nach Paragraf 8 Absatz 5 der BO sei es dem Zahnarzt nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder eine sonstige wirtschaftliche Vergünstigung zu fordern, sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. Es handele sich bei dieser Vorschrift um ein Verbotsgesetz im Sinne des Paragrafen 134 BGB, so der BGH. Nach der Rechtsprechung des BGH können demnach auch Vorschriften berufsständiger Satzungen von Selbstverwaltungskörperschaften (hier: die Berufsordnung) Verbotsgesetze im Sinne des Paragrafen 1434 BGB sein.

Die Parteien haben nach Auffassung des BGH mit dem von ihnen geschlossenen Kaufvertrag über den Patientenstamm der Beklagten gegen das standesrechtliche Verbot entgeltlicher Zuweisung gemäß Paragraf 8 Absatz 5 der BO verstoßen. Der Verstoß gegen dieses gesetzliche Verbot führe zu der Nichtigkeit der gesamten (Paragraf 139 BGB) vertraglichen Vereinbarung der Parteien nach Paragraf 134 BGB.

Fazit und Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des BGH kann im Ergebnis überzeugen und ist für die Praxis sehr relevant. Der isolierte Verkauf des Patientenstamms einer Zahnarztpraxis verstößt gegen berufsrechtliche Regelungen. Das hat der BGH im Streitfall ausführlich und rechtlich nachvollziehbar festgestellt. Die Ausführungen des Senats dazu sind mithin rechtlich nicht zu beanstanden. Gleichwohl sollten Ärzte nicht unüberlegt derartige Verträge schließen, da es sonst – wie vorliegend – zu einem nichtigen Geschäft führen kann. Ein solches Szenario ist eine unnötige „Baustelle“, die Käufer und Verkäufer vermeiden sollten. Diese Entscheidung ist ebenso für Versicherungsvermittler gut zu kennen, wenn diese Arztpraxen gesamtheitlich betreuen.

Über den Autor

Rechtsanwalt Björn Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht, für Gewerblichen Rechtsschutz sowie Informationstechnologierecht bei der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft.

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