- Von Andreas Harms
- 23.04.2025 um 16:17
Der Gesamtverband der Versicherer (GDV) hat in seine Musterbedingungen für Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherungen sowie Umweltrisikoversicherungen eine neue Klausel aufgenommen. Doch die mag dem Großmakler Aon so gar nicht gefallen.
In der Klausel geht es um sogenannte per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS). Klingt schwierig und ist es auch. Denn diese Substanzen gelten als in der Umwelt nur schwer abbaubar, weshalb sie auch den Beinamen „Ewigkeitschemikalien“ tragen. Sie weisen Wasser, Schmutz, Fett und Öl ab und vertragen gleichermaßen Hitze und Kälte. Außerdem stehen viele PFAS im Verdacht, die menschliche Gesundheit zu schädigen. Die Rede ist von Krebs, geringerer Fruchtbarkeit und geschwächtem Immunsystem.
Doch PFAS tauchen in vielen und vielfältigen Produkten auf. Als Beispiele nennt der GDV beschichtete Bratpfannen, medizinische Implantate, Batterien und Photovoltaik-Paneele. Deshalb wehrt sich die Industrie dagegen, dass sie verboten werden. Sie bezeichnet sie als notwendig.

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Zurück zu den neuen Musterklauseln. Sie schließen Risiken aus solchen Ewigkeitschemikalien von vornherein erstmal aus. Wörtlich heißt es zum Beispiel in der Musterklausel fürs Betriebs- und Berufshaftpflichtrisiko und das Produkthaftpflichtrisiko: „Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden, die unmittelbar oder mittelbar auf PFAS zurückzuführen sind.“
Doch dann könnte eine freiwillige Wiedereinschlussklausel folgen, die so beginnt: „Dieser Ausschluss gilt nicht für …“ Wobei man dazusagen muss, dass alle Musterbedingungen des GDV unverbindlich sind.
Erstmal rundweg verbieten und dann verhandeln? Den Eindruck bestätigt Anja Käfer-Rohrbach, die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des GDV: „Mithilfe dieser PFAS-Klausel können Versicherer Schäden durch diese Chemikalien grundsätzlich erst einmal ausschließen – um dann in einem zweiten Schritt mit den Kunden konkret zu vereinbaren, unter welchen Bedingungen und in welcher Höhe Schäden durch bestimmte PFAS-Verbindungen wieder versichert werden.“
Aon: Klausel erschwert Absicherung
Genau dieser Ansatz missfällt Thomas Gahr, der die Sparten Haftpflicht und Luftfahrt bei Aon leitet. Die erwähnte Klausel erschwere es ganz massiv, solche Schäden für die deutsche Wirtschaft abzusichern, bemängelt er.
Bei Aon würde man die ganze Sache gern andersherum aufziehen. Denn Gahr lässt sich in einer Medienmitteilung wie folgt zitieren: „Nicht alle Unternehmen sind in gleichem Maße von PFAS-Risiken betroffen. Die Diskussion über PFAS sollte nicht mit einem pauschalen Ausschluss beginnen, sondern mit einer Analyse des individuellen Risikos. Aus guten Gründen sehen bisher die meisten Versicherer in Deutschland keine Standard-Ausschlüsse bezüglich PFAS in ihren Policen vor.“ Der Ausschluss sei nur „die letzte Option am Ende der Diskussion“.
Wie es mit PFAS weitergeht, ist offen. Doch die EU diskutiert bereits Verbote bestimmter solcher Stoffe. Sollte so etwas tatsächlich eintreten, rechnet man bei Aon mit Übergangsfristen (wie sie in der Wirtschaft üblich sind).
Auch beim GDV blickt man nach vorn und erwartet, dass Versicherungswirtschaft und Industrie über Risiken sprechen. Um das vorzubereiten, entwickelt der GDV einen unverbindlichen Leitfaden, der es erleichtern soll, die Risiken naturwissenschaftlich und juristisch einzuordnen. Das soll die bisher oft nur abstrakten Gefahren in den Vordergrund rücken und sichtbar machen. Und es soll die Industrie dazu bringen, sich mit den Risiken auseinanderzusetzen – und mit den Möglichkeiten, sie einzudämmen.
Insofern betrachtet man beim GDV die neue Musterklausel auch als eine Art Druckmitteln. „Im Idealfall hilft die PFAS-Klausel so auch, schneller echte Alternativen zu den gefährlichen Formen der Ewigkeitschemikalien zu entwickeln“, so Käfer-Rohrbach.

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