- Von Redaktion
- 04.12.2020 um 14:54
Bemerkenswert klar stellt der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 18. November auf die Sicht des Versicherten ab, was auch für andere Versicherungszweige Bedeutung hat (Aktenzeichen IV ZR 217/19).
Strittig war bislang, ob Ansprüche des Insolvenzverwalters gegen Geschäftsführer des insolventen Unternehmens auf Erstattung von Zahlungen, die dieser nach Insolvenzreife tätigte, unter der Managerhaftpflicht gedeckt sind. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf und das OLG Frankfurt hatten Deckungsansprüche aus der D&O-Versicherung abgelehnt. Das Argument: Ansprüche auf Rückzahlung gemäß Paragraf 64 GmbHG seien kein „gesetzlicher Haftpflichtanspruch auf Schadensersatz“ im Sinne der Versicherungsbedingungen, sondern ein Ersatzanspruch eigener Art.
Dem folgte der BGH in seinem jetzt ergangenen Urteil nicht. Ein Insolvenzverwalter hatte im vorliegenden Fall gegenüber einem D&O-Versicherer Deckungsansprüche in Höhe von 1,5 Millionen Euro aus der Managerhaftpflicht eines ehemaligen Geschäftsführers geltend gemacht.
Ob es sich bei Ansprüchen gegen den Geschäftsführer um versicherte Schadensersatzansprüche im Sinne der Bedingungen handele, sei allein aus Sicht der durchschnittlichen versicherten Person zu beurteilen, entschied der BGH. Diese wähne sich in ihrem Handeln gegenüber der Gesellschaft durch die D&O-Versicherung geschützt und könne den Unterschied eines üblichen Haftpflichtanspruchs zu Ansprüchen auf Grundlage des Paragrafen 64 GmbHG nicht erkennen. Von einer zwar geschäftserfahrenen, aber juristisch oder versicherungsrechtlich nicht vorgebildeten Person könnten komplexe rechtsdogmatische Unterscheidungen nicht verlangt werden. Der BGH stellt klar:
„Ausgehend vom Wortlaut der Klausel und dem für ihn erkennbaren Zweck der D&O-Versicherung wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer/Versicherte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts den Anspruch aus Paragraf 64 Satz 1 GmbHG auch als Schadensersatzanspruch im Sinne der Versicherungsbedingungen ansehen.“
Zudem würden, so der BGH weiter, von der D&O-Versicherung nicht vornehmlich die Vermögensinteressen des Versicherungsnehmers (also des Unternehmens) geschützt, sondern jene des versicherten Managers. Auch insoweit kassierte der BGH sowohl die vorangegangene Instanz (OLG Frankfurt) als auch das erste obergerichtliche Urteil zu dieser Rechtsfrage des OLG Düsseldorf. Das OLG Düsseldorf hatte in seiner Entscheidung im Jahr 2018 noch eine Revision vor dem BGH nicht zugelassen.
Die aktuelle BGH-Entscheidung hat große Auswirkungen auf die Managerhaftpflichtversicherung wie auch auf zahlreiche Insolvenzverfahren in Deutschland. Ansprüche des Insolvenzverwalters auf Grundlage des Paragrafen 64 GmbHG gehören zu den am häufigsten verfolgten Ansprüchen gegen ehemalige Geschäftsführer insolventer Unternehmen.
Von Bedeutung ist insbesondere, dass der Bundesgerichtshof noch einmal klarstellt, dass es für die Auslegung von Versicherungsbedingungen nicht auf spitzfindige juristische Interpretationen ankommt, sondern maßgeblich auf das Verständnis des Versicherten.
Das unterstreicht die generelle Bedeutung des Urteils für Versicherungsbedingungen. Nicht zuletzt ist davon auch der Streit um die Spitzfindigkeiten im Zusammenhang mit der Betriebsschließungsversicherung betroffen. Hier meinen die Versicherer und manche erstinstanzliche Gerichte, dass es für einen Versicherten möglich ist, hoch komplexe Bedingungen in ihrer Detailtiefe verstehen zu können, obwohl es offenkundig selbst einer Vielzahl von Versicherungsexperten nicht möglich ist, eine klare Meinung zu den dortigen Regelungen zu finden.
Über den Autor:
Mark Wilhelm ist Managing Partner der Sozietät Wilhelm in Düsseldorf.
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