- Von Lorenz Klein
- 09.06.2020 um 16:27
Pfefferminzia: Die Kanzlei Wilhelm Rechtsanwälte aus Düsseldorf veröffentlichte am vorvergangenen Freitag eine Pressemitteilung mit dem Titel „Betriebsschließungsversicherung: Haftpflichtkasse Darmstadt löschte Corona-Deckungszusage“. Der konkrete Vorwurf lautet, dass Ihr Unternehmen Anfang März 2020 auf der Homepage folgendes erklärte: „Am 01.02.2020 wurde der Coronavirus als meldepflichtige Krankheit im Infektionsschutzgesetz (IfSG) mit aufgenommen. Da wir unter anderem Krankheiten nach §§ 6 und 7 des IfSG versichert haben, gilt eine Betriebsschließung durch eine Behörde aufgrund des Coronavirus im Rahmen unserer Bedingungen als mitversichert.“ Inzwischen sei die Aussage, dass Corona-bedingte Betriebsschließungen mitversichert seien, aus dem Netz „verschwunden“, so die Kanzlei. Was sagen Sie zu dem Vorwurf?
Torsten Wetzel: Vor dem Hintergrund des Infektionsgeschehens im Februar dieses Jahres erreichten uns mehr und mehr Fragen der Geschäftspartner rund um den Versicherungsschutz in der Corona-Krise, insbesondere zur Betriebsschließungsversicherung – Versicherungsverträge sind sehr individuell, gerade im Fall von Betriebsschließung. Sie unterscheiden sich von Versicherer zu Versicherer.
Ist Corona mitversichert? So lautete die häufigst gestellte Frage. Das haben wir dann zum Anlass genommen, um einerseits persönlich per Telefon und E-Mail und andererseits auch über die Website – Bereich Firmenkunden – den Geschäftspartnern nochmals zu verdeutlichen, dass das Coronavirus über unsere Betriebsschließungsversicherung, im Vergleich zu anderen Gesellschaften, mitversichert ist und wir vertragsgemäß den entstandenen Schaden regulieren, wenn erstens: im Betrieb ein versicherter Erreger aufgetreten ist und zweitens: der Betrieb aus diesem Grund von der Behörde vollständig geschlossen wurde.
Diese Regelung ist weiterhin gültig und stand zu keinem Zeitpunkt zur Disposition. Wir prüfen also jeden einzelnen Vertrag am konkreten Sachverhalt und entscheiden dann darüber. Wo demnach ein Anspruch besteht, wird und wurde bereits ohne Wenn und Aber Versicherungsschutz gewährt – in vielen Fällen haben wir auf dieser Grundlage betroffene Firmenkunden zwischenzeitlich entschädigt.
Pfefferminzia: Stand heute heißt es auf Ihrer Website wie folgt: „Voraussetzung für eine Entschädigung ist, dass die zuständige Behörde aufgrund einer nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtigen Krankheit oder eines Krankheitserregers am Versicherungsort die Betriebsschließung anordnet.“ Die vorherige Fassung, auf die sich auch die Kanzlei bezog, lautete so: „Voraussetzung für eine Entschädigung durch den Versicherer ist, dass der versicherte Betrieb durch die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger seinen Betrieb oder Betriebsstätte schließen muss“. Kurzum: Im letzteren Fall hätten bereits die Allgemeinverfügungen der Kommunen ausgereicht, um Versicherungsschutz zu erhalten, nun bedarf es jeweils einer Einzelverfügung. Ist der Unmut von Vertriebspartnern, etwa von Maklern, die jetzt gegenüber ihren Kunden zurückrudern müssen, nicht berechtigt und nachvollziehbar?
Wetzel: Wie gesagt: Gerade im Fall von Betriebsschließungen sind Versicherungsverträge von Gesellschaft zu Gesellschaft sehr individuell und verschiedenartig geregelt. Dabei lautet unser Standpunkt: Eine Betriebsschließungsversicherung ist für solche Fälle ausgelegt, in denen die Komplettschließung aufgrund eines im Betrieb vorliegenden konkreten Infektionsfalles angeordnet wurde, etwa Salmonellen oder Noroviren, und der Betrieb deshalb geschlossen wird. Die Schließung eines von Krankheit nicht betroffenen Betriebes aus generalpräventiven Gründen ist folglich nicht gedeckt. Sie greift, wenn im Betrieb selbst versicherte Infektionskrankheiten auftreten und dieser deshalb komplett geschlossen wird. Auf dieser Grundlage wurden die Versicherungsverträge mit unseren Versicherungsnehmern zu moderaten Prämiensätzen geschlossen. Diese Voraussetzungen haben bereits seit der Produkteinführung der Betriebsschließungsversicherung vor Jahrzehnten Gültigkeit und nicht erst seit kurzem.
Pfefferminzia: Halten Sie es für möglich, dass nun eine Klagewelle auf die Haftpflichtkasse zurollt?
Wetzel: Als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit handeln wir auch in solch einer Ausnahmesituation verantwortungsbewusst. Deshalb nehmen wir den Sachverhalt nicht auf die leichte Schulter. Das heißt auch, dass wir uns auf unterschiedliche Szenarien angemessen vorbereiten werden. Sich zum weiteren möglichen juristischen Verlauf des Geschehens zu äußern, wäre Spekulation, und an Spekulationen beteiligen wir uns nicht. Klar ist heute, dass wir neben der öffentlichen medialen Kritik im Austausch mit unseren Firmenkunden und Vermittlern auch Zustimmung erhalten haben.
Ein Großteil der Firmenkunden und viele Vermittler haben sich im Übrigen gegenüber unserem Kulanzangebot zustimmend geäußert. Vergessen sollte man nicht, dass unterschiedliche juristische Auffassungen zur Betriebsschließungsversicherung im Markt, sicherlich auch ein attraktives Geschäftsfeld für den einen oder anderen Juristen darstellt.
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