- Von Karen Schmidt
- 14.11.2024 um 14:24
„Es ist alles leer. Ein Drama. Lebenswerk vernichtet.“ Thomas Paul aus Trebur im Landkreis Groß-Gerau in Hessen ist Landwirt. Genauer: Schweinemäster. Und sein Betrieb liegt mitten in der Zone, wo in Hessen die Afrikanische Schweinpest (ASP) wütet. Eines Tages entdeckte er eine infizierte Muttersau – das Todesurteil für alle Tiere auf dem Hof. 2.400 Schweine mussten gekeult werden, drei Tage dauerte das.
Etwa die Hälfte des Tierwertes bekommt er von der Tierseuchenkasse erstattet. Für die andere Hälfte muss er selbst aufkommen. Rund 100.000 Euro Verlust bedeutet das, meint sein Steuerberater. Versichert ist er nicht. Jetzt steht Paul vor einer ungewissen Zukunft. „Ich weiß nicht, wo das Geld herkommen soll“, sagt er dem Fernsehteam vom „Hessischen Rundfunk“, das für das Marktmagazin „Mex“ einen Bericht über die Lage betroffener Landwirte dreht (den Beitrag finden Sie in der ARD-Mediathek). In acht Betrieben in Groß-Gerau mussten alle Schweine getötet werden, so die Journalisten weiter. Die betroffenen Landwirte stehen alle vor dem Nichts.
R+V: Tierseuchen könnten Millionenschäden verursachen
GDV fordert staatliche Unterstützung für Landwirte in Dürreperioden
„Aktuell stehen Tierseuchen wieder besonders im Fokus, weil die Blauzungenkrankheit in Rinder- und Schafbeständen so stark wie seit 2006/2007 nicht mehr grassiert, weil die Afrikanische Schweinepest die Schweinebestände bedroht und die Geflügelpest Einzug in die Vogelpopulation gehalten hat“, bestätigt Matthias Baum, Leiter des Kompetenz-Centers Firmenkunden der R+V, die aktuelle Misere vieler Landwirte. 2006/2007 verzeichnete die R+V bei ihren Kunden einen Gesamtschaden von rund 14 Millionen Euro. Von einem ähnlichen Wert geht der Versicherer auch dieses Mal aus.
Hohe Kosten durch Schweinepest
Auch die Schweinepest hinterlässt ihre Spuren. Nicht nur bei den betroffenen Landwirten mit den vernichteten Tierbeständen, berichtet die R+V. Auch die übrigen Schweinehalter im Sperrbezirk träfe das. Denn bei ihnen gehe der Erlös für Schlachttiere gegen null. Die Landwirte müssten außerdem die zusätzlichen Kosten für Blutproben und Transport selbst tragen.
Private Vorsorge in Form von Versicherungen ist daher wichtig. Eine Ertragsschadenversicherung etwa sichert den Tierbestand des Betriebes „gegen anzeigepflichtige Tierseuchen, übertragbare Tierkrankheiten, Unfallereignisse oder Diebstahl ab“, berichtet der Versicherer GHV auf seiner Website. Ein guter Versicherungsschutz helfe den Betrieben, die finanziellen Verluste etwa durch einen ASP-Ausbruch zeitnah abzufangen und so die Liquidität der Landwirte zu erhalten.
Auch Ackerbau kann indirekt von Tierseuchen betroffen sein
Denn im Gegensatz zur bereits erwähnten Tierseuchenkasse, die nur bei Tötung der Tiere zahlt, kommt die Ertragsschadenversicherung im Krankheits- oder Seuchenfall auch für die Ertragseinbußen auf. Auch wenn die eigenen Tiere nicht von der Seuche befallen sind, der Hof aber von einem Vermarktungsverbot betroffen ist. Mehrkosten für die Wiederbeschaffung von Tieren, Desinfektionskosten, Schutzmaßnahmen, Untersuchungskosten und mehr sind ebenfalls abgedeckt.
Ein ASP-Ausbruch kann sich auch auf den Ackerbau auswirken. Denn in den Sperrzonen gelten strenge staatliche Auflagen: Säen, düngen, ernten – all das wird eingeschränkt oder sogar verboten. Der Grund: Die Erreger der Tierseuche überdauern lange in der Umwelt, die Weiterverbreitung in andere Regionen soll verhindert werden. Es gibt dann zwar staatliche Entschädigungen, oft dauert es aber lange, bis die Gelder fließen. Dann kann es schon zu spät sein für den Betrieb. Für diese Fälle können sich Landwirte mit einer Ernteversicherung wappnen. „Für die Wertminderung der Ernte springen wir ein und erstatten bis zu 10 Prozent des Marktpreises“, berichtet etwa die R+V.
Aber die Ernteversicherung kann noch mehr, nämlich auch vor den Folgen von Wetterextremen schützen. Und die nehmen aktuell zu. So berichtete der Versicherer „Vereinigte Hagel“ im Juni 2024 von schweren Hagelschäden in Thüringen und Sachsen. 70.000 Hektar waren betroffen, die Schadensumme lag bei rund 20 Millionen Euro (inklusive der nicht versicherten Betriebe). Zwei Monate zuvor im April hatte der Frost zugeschlagen und Reben und Obst getroffen. Der gesamte Schaden deutschlandweit wird auf rund 500 Millionen Euro taxiert.
„Auch wenn die Versicherungsquote gegen Frost in den vergangenen Jahren stark gestiegen ist, haben viele Betriebe bislang keine Police abgeschlossen“, stellt die Vereinigte Hagel auf ihrer Website fest. „Dies führt in etlichen Fällen zu Liquiditätsengpässen bis hin zu Existenzgefährdungen von Betrieben. Die Absicherung gegen die finanziellen Risiken der Wettergefahren wird also weiter in ihrer Bedeutung zunehmen.“
Wissen, wie Landwirte ticken
Es gibt noch viele weitere Risiken, die Landwirte heimsuchen können. Ein Stall kann abbrennen, die verkaufte Milch kann verunreinigt sein oder der teure Traktor geht kaputt. Die Versicherungswirtschaft kann helfen, die finanziellen Folgen aufzufangen. Wichtig ist dabei, dass sich die Menschen auskennen. Im Agrar-Kompetenz-Center der R+V arbeiten fast nur Menschen mit landwirtschaftlichem Hintergrund.
Und das sollte auch für Vermittler gelten, die diese Zielgruppe beraten. „Um von den Landwirten ernst genommen zu werden, ist es wichtig zu wissen, wie ein landwirtschaftlicher Betrieb funktioniert und wo die Knackpunkte bei den Risiken liegen“, so Baum. „Wenn sich Vermittler auf die Branche einlassen und Know-how und die richtige Haltung mitbringen, stehen ihnen die Türen der Landwirte offen.“ Eine gute Sache, denn Bedarf ist da.
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