- Von Lorenz Klein
- 28.08.2020 um 12:53
„In der Police steht eindeutig, dass sie auch gegen Influenza versichert sind“, berichtet „SWR aktuell“ am Montag über die Betriebsschließungsversicherung (BSV) der Familie Nölly, die den „Gasthof Hasen“ in Herrenberg (Baden-Württemberg) betreibt (hier geht es zum Video (2:58 Minuten)). Doch ist die Familie im Recht, wenn Sie „Influenza“ mit Corona gleichsetzt?
Es handelt sich beim „Hasen“ um ein altehrwürdiges Familienunternehmen mit Hotelbetrieb und Restaurant. Doch seit Mitte März seien die Umsätze deutlich zurückgegangen, heißt es im Bericht. Nur noch 40 der 90 Restaurantplätze dürfen die Nöllys besetzen. Auch die Geschäftsreisenden kämen nicht mehr. Normalerweise sei das Haus voll.
Makler hoffen auf baldige Ruhe im BSV-Streit
Richterin rüffelt Allianz für „intransparente“ Betriebsschließungspolice
„Das ist kein Vertriebscoup, sondern partnerschaftliche Fairness“
„Ende Mai nach acht Wochen Corona-Schließung hat die Familie eine halbe Million Euro Verlust eingefahren – und die Versicherung, die sie gegen die zwangsweise Schließung absichern sollte, will nur einen Bruchteil zahlen. Statt der erwarteten 120.000 Euro gerade mal 18.000 Euro“, schildert die Reporterin.
Die angebotene Summe der Allianz entspricht 15 Prozent der vereinbarten Tagessätze. Das sieht der sogenannte bayerische Kompromiss vor, den einige Versicherer als „Kulanzlösung“ mit der bayerischen Landesregierung und dem dortigen Hotel- und Gaststättenverband ausgehandelt hatten – der allerdings von Juristen angegriffen wird (wir berichteten).
Ihre Betriebsschließungsversicherung ließe sie „im Stich“, berichtet die Reporterin des SWR weiter. Die Allianz wolle sich auch nicht auf einen Vergleich einlassen und argumentiere damit, dass Pandemien nicht versicherbar seien, wie es heißt. „Das sieht die Familie anders. In der Police steht eindeutig, sie sind auch gegen Influenza versichert“, fährt der TV-Bericht fort. Die Nöllys wollen klagen – auch wenn das zunächst Rechtskosten in Höhe von 20.000 Euro bedeuten würde. „Die Chancen sind fifty-fifty“, beurteilt Gasthof-Manager Arnold Nölly die Lage der Familie. Tatsächlich?
Was Fachanwalt Jöhnke Pfefferminzia sagte
Pfefferminzia hat bei dem Hamburger Fachanwalt Björn Thorben M. Jöhnke nachgefragt, wie er die Erfolgsaussichten der Nöllys beurteilt, die das Geld der Versicherung dringend bräuchten, „damit der Hasen überlebt“, wie es im Bericht heißt.
„Die reine Nennung von Influenza dürfte im Ergebnis noch nicht gleich bedeuten, dass auch Corona namentlich mitversichert ist“, erklärt Jöhnke (siehe Bedingungsauszug im Foto). Zwar weise Corona (Covid-19) „auffällig viele Ähnlichkeiten zur Grippe (Influenza)“ auf, jedoch werde Corona nicht direkt in den Versicherungsbedingungen der hier vorliegenden Allianz-Police genannt, so der Anwalt.
Gleichwohl, fährt Jöhnke fort, könne die Nennung von Influenza und anderen Viren als „Auslegungshilfe“ für die Gerichte dienen, um schlussendlich zu prüfen, ob der Versicherer auch weitergehende und neuartige Viren versichern wollte. „Aus diesem Grunde ist jeder Betriebsschließungsfall als Einzelfall zu sehen und entsprechend rechtlich zu überprüfen“, betont Jöhnke.
Der Rechtsexperte verweist außerdem auf einen Versicherungsfall der Allianz, der vor dem Landgericht München anhängig sei. Hier werde seitens der Richter moniert, dass die Allianz zwar in ihrer Police auf das Infektionsschutzgesetz verweise, umgekehrt aber nicht alle darin aufgelisteten Krankheiten erwähne (wir berichteten). „Das Gesetz werde dementsprechend falsch zitiert“, gibt Jöhnke die Sicht der Münchner Richter wieder. „Zudem hieße es im Infektionsschutzgesetz, auf welches sich die Allianz in ihrem Vertrag ja bezieht, explizit, dass auch ,nicht namentlich genannte gefährliche Erreger‘ meldepflichtig seien.“
Kurzum: „Nach alledem dürfte Versicherungsschutz für die Betriebsschließung bestehen“, macht Anwalt Jöhnke den Nöllys Hoffnung.
Auch Rechtsexperte Strübing macht Wirten Hoffnung
Mit durchaus ermutigenden Nachrichten für viele Gastronomen kann auch der Fachanwalt Tobias Strübing von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte aufwarten. In einem weiteren aktuellen Beitrag der ARD zum Thema „BSV-Ärger“ – diesmal handelt es sich um das Magazin „plus minus“ (siehe Video) – kommt er folgendermaßen zu Wort:
„Da hilft uns als Versicherungsnehmer-Rechtsanwälte das Gesetz. Das sagt, wenn Zweifel bestehen, was versichert ist oder nicht, dann gilt immer die Auslegungsvariante, die zu Gunsten des Versicherungsnehmers ist. Sprich: es wird Bezug genommen auf das Infektionsschutzgesetz, und da ist der Virus klar mitversichert.“
Und die allgemeinen Versicherungsbedingungen von Allianz, Haftpflichtkasse und vieler anderer Versicherer, die derzeit von Gastronomen verklagt würden, verweisen laut Strübing „ausdrücklich auf die Paragraphen des Infektionsschutzgesetzes“.
Das Landgericht München, das allein mit über 40 BSV-Fällen befasst ist, will im September erste Urteile fällen.
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