- Von Lorenz Klein
- 27.02.2020 um 19:53
Über viele Jahre hinweg lagen die Ergebnisse in der Industrieversicherung im roten Bereich – das hat nun Konsequenzen. Die Versicherer stellen ihre Kapazitäten auf den Prüfstand, zeichnen bestimmte Risiken nicht mehr oder fordern höhere Prämien.
„Mittlerweile ist es einfacher, die Sparten aufzuzählen, die von Prämienerhöhungen und Kapazitätsreduzierungen nicht betroffen sind, als anders herum“, sagt Thomas Olaynig, Geschäftsführer und Head of Placement & Specialties des Versicherungsmaklers Marsh in Deutschland.
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„Forderungen nach Verdoppelung und Verdreifachung der Prämien gegenüber dem Ist-Stand waren Ende 2019 keine Seltenheit“, heißt es dann auch im „Marsh Versicherungsmarktreport 2020“, der am Donnerstag veröffentlicht worden ist. Einschränkungen des Versicherungsschutzes oder die Erhöhung der Selbstbehalte hätten derartige Prämien-Forderungen „nur sehr begrenzt gemindert“. Besonders betroffen davon seien nicht optimal geschützte Betriebe sowie Unternehmen der Chemie-, Stahl-, Gießerei-, Recycling-, Fleisch- und Lebensmittelbranche.
„Technologie ist nicht die Lösung für menschliches Versagen“
Im diesjährigen Versicherungsmarktreport wird vor allem die dünne Personaldecke bei den Versicherern als kritischer Faktor betont. „Die technischen und vor allen Dingen personellen Kapazitäten, die es benötigt, um dieser neuen Marktsituation gerecht zu werden, sind in den seltensten Fällen vorhanden – am wenigsten auf Seiten der Versicherer“, heißt es unmissverständlich. Dabei erweist sich die Schaffung einer gemeinsamen Branchenplattform keineswegs als Allheilmittel. Zwar müsse die Branche weiter an diesem Ziel arbeiten. Doch das sei kompliziert und teuer – zumal eine Plattform nur dann gelingen könne, so Marsh, wenn sich die Beteiligten dazu bekennen, sie dann auch zu nutzen. „Noch viel mehr sollten zwischenzeitlich die bestehenden Möglichkeiten und Mittel genutzt werden“, so die Empfehlung. Oder anders gesagt: „Technologie ist nicht die Lösung für menschliches Versagen“, wie Olaynig betont.
Prämienauftrieb bei Cyber- und Haftpflichtpolicen
„Risikomanager sollten eine langfristige und ganzheitliche Strategie verfolgen. Dazu gehört, aktuelle Informationen über Werte sowie Lokationen zur Verfügung zu haben und diese mit ihren Risikopartnern zu teilen“, skizziert der Industrie-Experte. Statt Deckungskonzepte unbesehen über Jahre hinweg fortzuschreiben und lediglich den Preis im Auge zu behalten, seien die Konzepte „in viel kürzeren Abständen immer wieder grundsätzlich zu hinterfragen“, so Olaynig.
Vor allem der Markt für Cyberversicherungen erfordert eine kontinuierliche Beobachtung durch die Versicherer. „Generell kann man beobachten, dass zahlreiche Versicherer ihre offerierte Gesamtkapazität im Gegensatz zu früher reduzieren und in ihrer Zeichnungspolitik vorsichtiger werden“, heißt es bei Marsh. Trotz Ersteindeckung verlangten die Versicherer häufig bereits bei der ersten Erneuerung der Verträge eine Prämienerhöhung. Generell steigen die Prämien im Cybersegment – insbesondere bei Großrisiken, aber auch bei mittelständischen Unternehmen seien bereits Prämienerhöhungen zu verzeichnen.
In der Haftpflichtsparte boten folgende exponierte Risiken Anlass für Prämienerhöhungen: Insbesondere Rückrufkostenrisiken der Kfz-Zulieferer-industrie, aber auch Risiken der Bauwirtschaft, Pharma-/Chemie-Risiken und Krankenhäuser hätten im Fokus der Versicherer gestanden, so Marsh.
Und auch in der industriellen Sachversicherung sei „weltweit auf breiter Front eine Verhärtung des Marktes mit durchschnittlichen Steigerungen im Bereich von 5 bis 10 Prozent zu beobachten“, teilen die Autoren weiter mit.
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