Eine feste Größe in München: der Biergarten des Augustiner Kellers © picture alliance / imageBROKER | Martin Siepmann
  • Von Achim Nixdorf
  • 01.10.2020 um 16:05
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Dieses Urteil könnte richtungsweisend sein: Die Versicherungskammer Bayern (VKB) muss einem Münchner Biergartenbetreiber für die staatlich verordnete Schließung seines Lokals in der Corona-Krise eine Entschädigung in Höhe von 1,01 Millionen Euro zahlen. Das entschied am Mittwoch das Landgericht München – und sparte dabei nicht mit Kritik am Versicherer.

In ganz Deutschland streiten sich in Dutzenden juristischen Verfahren Wirte mit Versicherungen um die Übernahme von Betriebsschließungskosten während des Corona-Lockdowns im Frühjahr. Jetzt hat die auf Versicherungsrecht spezialisierte 12. Zivilkammer des Landgerichts München ein Urteil gefällt, das die gesamte Branche aufhorchen lässt. Danach muss die Versicherungskammer Bayern einen Münchner Biergartenbetreiber mit 1,01 Millionen Euro für die staatlich verordnete Schließung seines Lokals entschädigen.

Versicherung wollte nicht zahlen

Bei dem Kläger handelt es sich um Christian Vogler, den Wirt des Münchner Augustiner-Kellers. Er hatte sein Lokal am 21. März wegen der Corona-Krise zu machen müssen. Die bayerische Staatsregierung hatte die komplette Schließung aller gastronomischen Betriebe verfügt. Vogler versuchte daraufhin seine Betriebsschließungsversicherung in Anspruch zu nehmen, die er kurz zuvor bei der Versicherungskammer abgeschlossen hatte. Diese weigerte sich jedoch zu zahlen.

Die Police beziehe sich zwar auf das geltende Infektionsschutzgesetz, Corona sei in den Versicherungsbedingungen jedoch nicht aufgeführt, argumentierte sie. Außerdem habe nicht die zuständige Behörde, also das Gesundheitsamt, die Schließung angeordnet, sondern die Staatsregierung. Die Versicherung gelte zudem nur für den Fall, dass in dem konkreten Betrieb eine Erkrankung auftrete, nicht bei einer flächendeckenden Pandemie.

Gericht rügt Versicherungsbedingungen als intransparent

Dieser Argumentation wollte sich das Münchner Landgericht, vor dem der Fall schließlich landete, nicht anschließen. Die Versicherungskammer könne sich nicht darauf berufen, dass die Corona-Pandemie nicht mitversichert gewesen sei, stellte das Gericht fest und rügte deren Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) als intransparent.

„Werde der Versicherungsschutz durch eine AVB-Klausel eingeschränkt, müsse dem Versicherungsnehmer deutlich vor Augen geführt werden, in welchem Umfang Versicherungsschutz trotz der Klausel bestehe“, heißt es in einer Stellungnahme des Gerichts.

Diesen Anforderungen würden die Versicherungsbedingungen jedoch nicht gerecht. Zudem sei es nicht erforderlich, dass das Coronavirus im Betrieb des Klägers auftrete, es komme lediglich darauf an, dass der Betrieb des Klägers aufgrund des Infektionsschutzgesetzes geschlossen worden sei. Entgegen der Ansicht der beklagten Versicherung spiele auch die Rechtsform und die Rechtmäßigkeit der Anordnung für diesen Fall keine Rolle, so die Kammer.

Auch den Versuch der Versicherung, Kurzarbeitergeld oder staatliche Corona-Hilfen auf den Schaden anzurechnen, wies das Gericht zurück, „da es sich hierbei nicht um Schadensersatzzahlungen für Betriebsschließungen handele.“

>>> Hier geht es zur Einschätzung des Urteils durch Fachanwalt Norman Wirth

Kläger: „Ich bin sehr glücklich“

Der „Bild“-Zeitung sagte Christian Vogler nach der Urteilsverkündung: „Ich bin wirklich sehr glücklich, weil es auch ein Urteil für ganz Deutschland ist. Mein Credo war immer: Ich werde keinen Vergleich eingehen, obwohl er mir angeboten wurde. Ich wollte es durchfechten, weil viele Kollegen es sich nicht leisten können, einen Prozess durchzustehen.“ Das Geld wolle er nun zu einem großen Teil an seine Arbeitnehmer weitergeben.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Landgericht ließ eine Berufung zu. Insgesamt liegen allein in München noch 86 Klagen wegen Betriebsschließungsversicherungen vor. Die Richterin Susanne Laufenberg machte unlängst bereits deutlich, dass sich unter anderem auch die Allianz auf eine kräftige Watschn gefasst machen muss. So äußerte sie sich insbesondere verärgert über die Verteidigungsstrategie der Allianz-Anwälte. Diese hatten laut Medienberichten bestritten, dass die Corona-Zwangsschließungen des Frühjahrs rechtmäßig waren, als auch, dass es sich um eine behördliche Anordnung handelte.

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Achim

Achim Nixdorf

Achim Nixdorf war von April 2019 bis Mai 2024 Content- und Projekt-Manager bei Pfefferminzia. Davor arbeitete er als Tageszeitungs- und Zeitschriftenredakteur mit dem Fokus auf Verbraucher- und Ratgeberthemen.

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