- Von Karen Schmidt
- 09.11.2023 um 14:39
Mit dem Renteneintritt der Babyboomer steht das Rentensystem in Deutschland vor großen Problemen. Es droht ein sinkendes Sicherungsniveau bei stark steigenden Beitragssätzen. Der Sachverständigenrat Wirtschaft (die Wirtschaftsweisen) fordert daher von der Politik, aktiv zu werden und „eine langfristig orientierte Reform der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV)“ anzustoßen. Das schreiben die Experten in ihrem Jahresgutachten 2023/2024.
Dort heißt es: „Kernelemente der Reform sollten die Kopplung des gesetzlichen Renteneintrittsalters an die fernere Lebenserwartung, kombiniert mit einer neuen Form der ergänzenden, kapitalgedeckten Altersvorsorge sein.“ Die Dynamisierung des Renteneintrittsalters setze an der absehbar steigenden Lebenserwartung als Ursache der Alterung an und habe günstige Effekte für den Beitragssatz, das Sicherungsniveau und die Bundeszuschüsse an die Rentenversicherung.
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„Zusammen mit einer aktien-basierten Altersvorsorge, die transparenter, weiter verbreitet und renditestärker sein sollte als die bisherigen Riester-Renten, kann das Sicherungsniveau auf Dauer deutlich gesteigert und die Armutsgefährdung im Alter vermindert werden“, heißt es weiter. Allerdings würden die Reformoptionen ihre volle Wirkung erst langfristig entfalten.
Ergänzt werden müssten diese Reformen durch Maßnahmen, die bereits in der kurzen Frist wirkten, so die Wirtschaftsexperten: „Das Sicherungsniveau festzuschreiben, wie es die Bundesregierung aktuell plant, ist keine nachhaltige Lösung, sondern verstärkt den absehbaren Anstieg der Beitragssätze noch.“ Das verschärfe den Verteilungskonflikt zwischen Rentenbeziehenden und Beitragszahlenden. Die Lasten der alternden Gesellschaft müsste zwischen sowie innerhalb dieser beiden Gruppen fairer geteilt werden.
Weniger Rente für Gutverdiener?
Eine Verstärkung des Nachhaltigkeitsfaktors und die Einführung einer Inflationsanpassung von Bestandsrenten wirke sich kurzfristig günstig auf die Finanzierung der GRV aus. „Allerdings erhöhen diese beiden Reformoptionen die Armutsgefährdung im Alter“, räumt der Sachverständigenrat ein. Eine nach Einkommen gestaffelte („progressive“) Rentenbemessung könne das Altersarmutsrisiko für Geringverdienende senken.
Bei einer progressiven Rentenbemessung erwerben Personen mit niedrigem Jahreseinkommen überproportional hohe Rentenansprüche und Personen mit hohem Jahreseinkommen entsprechend geringere Ansprüche. Gutverdiener würden danach also weniger Rente erhalten, Schlechtverdiener mehr.
Die Ausweitung des Versichertenkreises der Rentenversicherung auf künftige Beamtinnen und Beamte sowie Selbstständige sehen die Wirtschaftsexperten per se nicht als gute Lösung an. „Zwar steigt dadurch die Anzahl der Beitragszahlenden, und die GRV wird kurzfristig entlastet. Bei Renteneintritt der zusätzlichen Beitragszahlenden verschwindet der entlastende Effekt jedoch und die Finanzierungsprobleme werden langfristig verschärft, da die Rentenbezugsdauer von Beamtinnen und Beamten überdurchschnittlich lang ist. Außerdem geraten im Übergang die Haushalte von Ländern und Kommunen unter großen Druck“, heißt es im Gutachten dazu.
Eine solche Reform könne aber kostenneutral umgesetzt werden, wenn eine getrennte Beitragskasse eingerichtet werde, die die zusätzlichen Beiträge zur Finanzierung der Alt-Pensionen verfügbar mache. „Eine solche Reform erlaubt, Änderungen bei der gesetzlichen Rente immer wirkungsgleich auf verbeamtete Personen zu übertragen. Einsparpotenziale für die Beamtenversorgung ergeben sich bei der Höhe ihrer zusätzlichen betrieblichen Altersversorgung sowie durch eine restriktivere Verbeamtungspolitik in Deutschland.“
Vorübergehende Entlastungen für die Rentenfinanzen können sich laut Jahresbericht auch ergeben, wenn – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – Selbstständige ohne obligatorische Altersvorsorge künftig einer Altersvorsorgepflicht unterliegen. „Offen ist aber, wie viele dieser Selbstständigen sich für die als Standard vorgesehene Absicherung in der GRV und nicht für eine optional wählbare, private Altersvorsorge entscheiden.“ Trotzdem spreche für eine Einbeziehung von Selbstständigen, dass damit Vorsorgelücken geschlossen, der Sozialstaat bei den Leistungen der Grundsicherung im Alter entlastet und Trittbrettfahrerverhalten vermieden werden könnten.
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