- Von Lorenz Klein
- 28.08.2023 um 14:46
Ein Provisionsverbot für Versicherungsmaklerinnen und -makler, die Versicherungsanlageprodukte beraten und vermitteln, wäre mit europäischem Recht nicht vereinbar und folglich nichtig. Zu diesem Ergebnis kommt ein aktuelles Gutachten des Rechtswissenschaftlers Hans-Peter Schwintowski von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin (Download hier). Das Gutachten hatte der AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung in Auftrag gegeben.
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Der AfW wollte durch das Rechtsgutachten geklärt wissen, ob Teile der am 24. Mai vorgestellten EU-Kleinanlegerstrategie (Retail Investment Strategy, kurz RIS) gegen europäisches Recht verstoßen. Konkret sieht der aktuelle Entwurf zur RIS eine Änderung von Artikel 30 Absatz 5b der Versicherungsvertriebsrichtlinie vor – und diese Änderung hätte es in sich. Denn laut AfW würde daraus ein Provisionsverbot für alle Versicherungsmaklerinnen und -makler folgen, wenn sie Versicherungsanlageprodukte, wie etwa fondsgebundene Rentenversicherungen, vermitteln.
AfW appelliert an Politik
Mit dem nun vorliegenden Gutachten von Hans-Peter Schwintowski sieht sich der Vermittlerverband in seinem Kampf gegen ein mögliches Provisionsverbot bestätigt. Norman Wirth, geschäftsführende Vorstand des AfW, erwartet jetzt „eindeutige Unterstützung auch der deutschen Bundesregierung bei diesem Thema“. Und weiter: „Zustimmung zu einem erwiesen rechtswidrigen Vorschlag der EU-Kommission kann es durch Deutschland nicht geben“, so Wirth.
In seinem Gutachten kommt Rechtswissenschaftler Schwintowski zu dem Schluss, dass Versicherungsmakler im Falle eines Provisionsverbots im Wettbewerb gegenüber gebundenen Vertretern „massiv benachteiligt und diskriminiert“ würden. Makler seien gegenüber gebundenen Vertretern „praktisch nicht mehr wettbewerbsfähig“, wie es im Gutachten heißt. Dies verstoße gegen europäisches Recht. Weiter erklärt Schwintowski, dass Makler „als wesentlicher Treiber eines Wettbewerbs um die besten Produkte wegfallen“. Es gäbe dann nur noch die gebundenen Vertreter, „die ihrerseits diesen Wettbewerb gegenseitig nicht realisieren können, da sie an einen bestimmten Anbieter gebunden sind“.
„Es wird empfohlen, die Regelung ersatzlos zu streichen“
Verbraucher würden folglich ausgerechnet diejenigen Vermittler verlieren, „die im Interesse der Kunden für einen umfassenden Marktüberblick und einen Vergleich der Produkte so sorgen, dass die jeweils qualitativ besten Produkte den Kunden empfohlen werden“. Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs um Versicherungsanlageprodukte sei daher im Interesse der Kunden nur dann gewährleistet, „wenn Makler bei ihrer Honorierung gegenüber gebundenen Vertretern nicht benachteiligt und diskriminiert werden“. Aus diesen Gründen sei Artikel 30 Absatz 5b mit dem europäischen Recht „nicht zu vereinbaren und folglich ungültig. Es wird empfohlen, die Regelung ersatzlos zu streichen“, so Schwintowski weiter.
Die Europarechtswidrigkeit der geplanten Regelung ergibt sich laut dem Gutachten unter anderem aus einer Verletzung des Kohärenzprinzips (Artikel 7 AEUV), des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung, des Subsidiaritätsprinzips sowie des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union – EUV). Ferner sei der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit (Artikel 4 Absatz 3 EUV) verletzt, ebenso wie der Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb (Artikel 119, 120 AEUV). Darüber hinaus sind laut Gutachten die wirtschaftliche Freiheit (Artikel 15/16 der Charta der Grundrechte der europäischen Union – EU-GRCh) und der Gleichheitssatz (Artikel 20 EU-GRCh) verletzt.
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