Auto in der Waschanlage: Auch bei der KFZ-Versicherung hat das Großreinemachen begonnen © picture alliance / ABBfoto | -
  • Von Andreas Harms
  • 16.10.2024 um 10:01
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 05:45 Min

Die Reise der Preise geht weiter – nach wie vor wird es teurer, Schäden an Autos reparieren zu lassen. Die KFZ-Versicherer bekommen das zu spüren. Sie müssen also die Prämien kräftig erhöhen oder sich von Beständen trennen. Bei einigen hat das Großreinemachen schon begonnen.

Der Kunde hat keinen Unfall, nicht mal einen kleinen Schaden. Er ist einfach nur ein Kunde, der Auto fährt. Und der seine KFZ-Versicherung beim HDI abgeschlossen hat – eine Haftpflicht und eine Teilkasko.

Doch vor allem Letztere bekommt in diesem Jahr einen saftigen Prämienaufschlag. Statt 411 Euro soll der Kunde seit Jahresmitte 654 Euro zahlen. Macht ein Plus von 59 Prozent. Dagegen legt die Haftpflicht um vergleichsweise gemäßigte 11 Prozent zu, von 362 auf 416 Euro.

Der Makler des Kunden heißt Norman Timmermann, arbeitet bei EFA Assekuranz und sitzt im sehr norddeutschen Tarp, ein paar Kilometer südlich von Flensburg. Er schraubt gern an Autos und kennt auch andere Autoschrauber. Was ihn besonders auf die Palme bringt, sind die Rechnungen aus Autowerkstätten. „Sie multiplizieren normale Rechnungen mit 1,5 bis 2, wenn es Versicherungsschäden sind. Mittlerweile sind in Vertragswerkstätten Stundensätze von über 200 Euro an der Tagesordnung. Hinzu kommen bei den Teilen rund 20 bis 30 Prozent Preisaufschlag auf den Einkaufspreis, bei Windschutzscheiben gerne 200 bis 300 Prozent“, prangert Timmermann an.

150 Euro im Einkauf, 600 Euro auf der Rechnung

Es ist als Auto-Normalverbraucher nicht einfach, ihm zu folgen. Er feuert die Zahlen nur so heraus. Er spricht von der Frontscheibe eines Fiat Ducato, die im Einkauf 150 Euro kostet, auf der Rechnung aber mit 600 Euro erscheint. Von Stundensätzen über 320 Euro bei Porsche. Und er zeigt eine Rechnung vor, in der die Frontscheibe eines Audi SQ7 als Teil rund 1.300 Euro kostet, die komplette Rechnung für den Wechsel aber bei 2.900 Euro endet. Neben der reinen Arbeitsleistung (2,9 Stunden à 199 Euro) taucht darin auch ein rätselhafter Posten namens „Mechanik 2“ auf – 4,4 Stunden für insgesamt 875 Euro. „Was soll das denn sein“, fragt Timmermann und: „Warum ­lassen sich Versicherer das bieten?“

Timmermanns Fall ist nur ein Beispiel für die Umstände, in denen die Sparte KFZ-Versicherung derzeit steckt. Die Zahl der Autoschäden steigt, und die Kosten für jeden Schaden tun es im Durchschnitt auch. „Sowohl die Ersatzteile als auch die Arbeit in den KFZ-Werkstätten werden immer teurer. Im vergangenen Jahr kostete ein durchschnittlicher Sachschaden in der KFZ-Haftpflichtversicherung eines PKW etwa 4.000 Euro. 2013 waren es noch 2.500 Euro“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Versichererverbands GDV, Jörg Asmussen. Was dazu führt, dass die Prämien schon in diesem Jahr gestiegen sind. Die KFZ-Ver­sicherer fahren aber trotzdem einen Verlust von „bis zu 2 Milliarden Euro“ ein. Die Schaden-Kosten-Quote lag 2023 branchenweit bei verlustreichen 111 Prozent.

„Wir haben eine abnehmende Inflations­rate, aber die Werkstätten haben das noch nicht ganz verstanden“, fasst es Holger Iben von der Itzehoer im hauseigenen Pod­cast sehr schön zusammen. „Fairerweise muss man dazu sagen: In der Corona-Zeit hatten die Werkstätten keine Auslastung, da ging es uns Versicherern ein bisschen besser. Und jetzt ist es gerade andersherum“, so der Leiter des Maklervertriebs.

„Hagelintensives Jahr“ für die KFZ-Versicherung

Doch es liegt nicht ausschließlich an den Werkstätten. So merkt eine Sprecherin der VHV Allgemeinen an, dass auch Elementarereignisse eine Rolle spielen: „Beispielsweise war 2023 ein äußerst ­hagelintensives Jahr.“ Einen anderen ­Aspekt führt Holger Ibens Stellvertreterin bei der Itzehoer, Jennifer Sals, an. Weil Ersatzteile wegen Lieferengpässen nicht rechtzeitig hereinkommen, erhöhen sich auch Kosten in der zweiten Reihe: Standzeiten der Autos verlängern sich, wodurch die Kunden auch länger Ersatzwagen brauchen. Sals spricht von zwei Wochen statt nur zwei Tagen.

Bei Audi verweist man auf die Freiheit der Märkte. „Die Betriebe passen die Stundenverrechnungssätze unter Berücksichtigung der Inflation und Lohnkostenentwicklung eigenständig an deren lokale Marktverhältnisse an“, teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit. Dass man als Autohersteller die Preise im Handel beeinflusst, verbiete schon das Kartellrecht. Und eine Windschutzscheibe auszutauschen kann wegen der vielen Fahrassistenzsysteme länger dauern. Die müsse man alle wieder neu einstellen.

Seite 2: Die Reißleine des HDI

autorAutor
Andreas

Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

Pfefferminzia Logo rgb
Suche
Close this search box.
Zuletzt hinzugefügt
Wie die Zukunft der bAV aussieht
Handelsblatt Jahrestagung bAV 2024

Wie die Zukunft der bAV aussieht

Vermittler müssen und wollen sich weiterbilden
AfW-Vermittlerbarometer: Nachhaltigkeit

Vermittler müssen und wollen sich weiterbilden

Zuletzt hinzugefügt
„Honorarberatung ist hochflexibel“
„Lass mal reden“ mit Honorarkonzept

„Honorarberatung ist hochflexibel“

„In fünf Jahren sterben Online-Abschlussstrecken aus“
„Lass mal reden“ mit Ralf Pispers, Personal Business Machine (PBM)

„In fünf Jahren sterben Online-Abschlussstrecken aus“

Skip to content