- Von Lorenz Klein
- 20.02.2019 um 11:07
Knapp 3.300 Euro beträgt der Schaden am Auto von Dennis Bahlke – dank eines entsprechenden Gutachtens sollte die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners eigentlich problemlos leisten. Doch dem ist nicht so. Auf 331 Euro bleibt Bahlke sitzen. Die Kürzung der Schadensumme basiert auf einem Prüfbericht, den die Versicherung nach Einreichen der Werkstattrechnung veranlasste.
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„Es wird abgelehnt und gekürzt, was das Zeug hält“
Was hat die Versicherung beanstandet?
„Gekürzt wurde bei Arbeitslohn, Lackierung und Ersatzteilen“, erläutert Werkstattbetreiber Alessandro Pilotta beim Blick in das Schreiben der Versicherung. „Das sind alles willkürliche Kürzungen“, sagt Pilotta. Das betreffe viele andere Kunden auch, so der Fachmann, und wedelt mit einem dicken Stapel Papier in der Hand. Er verweist auf mindestens zwölf Fälle, in denen weitere Versicherer nach dem gleichen Muster gekürzt hätten. „Mal sind es 200 Euro, mal 182 Euro“, zählt Pilotta auf. „Die Versicherung will einfach nicht das Geld zahlen.“
Wie die ZDF-Reporter weiter berichten, sei dieses Vorgehen der Versicherer nicht nur ärgerlich für die Versicherten, sondern vor allem auch für kleine Werkstätten. Denn so entstehe schnell der Eindruck, dass die Reparaturbetriebe leichtfertig überhöhte Rechnungen stellten. Manche Betriebe zahlten daher die gekürzte Summe aus eigener Tasche an den Kunden, heißt es.
Wie reagiert der Werkstattbetreiber?
„Ich lass mir nicht von der Versicherung sagen, dass ich meine Kunden betrüge“, ärgert sich Werkstatt-Chef Pilotta. Eine entsprechende Klage wegen „Rufschädigung“ in Höhe von über 100.000 Euro sei bereits eingereicht – zumal Pilotta laut dem Bericht immer gewonnen hatte, wenn er gegen einzelne Rechnungskürzungen geklagt hatte. Diese Praxis sei „nicht mehr hinnehmbar“, betont er.
Was sagen Brancheninsider?
Beim Kürzen von Rechnungen gingen viele Versicherer ausgeklügelt vor, berichten die ZDF-Reporter und berufen sich auf Brancheninsider. Demnach machten sich die Versicherer die Dienste von externen Prüffirmen zu Nutze. Dabei gehe es nicht immer korrekt zu, heißt es. So würde den Werkstätten bei bestimmten Kostenpositionen, „die nicht auf viel Widerstand“ stießen – etwa beim Verbrauchsmaterial – unterstellt, dass sie nicht sauber arbeiten würden. Zudem habe es Vorgaben gegeben, wonach eine bestimmte Beanstandungsquote zu erfüllen sei, berichtet ein anonymer Insider. Er spricht von „jedem zweiten Vorgang“. Und fügt hinzu: „Wir wussten ja selber, dass das Quatsch ist.“
Alle von der WISO-Redaktion kontaktierten Prüffirmen widersprechen dem Vorwurf, ungerechtfertigte Kürzungen auszusprechen. „Es wird keine Kürzungsquote vorgegeben“, stellt eine Firma klar.
„Die Kürzungspraxis hat seit vielen Jahren System“, entgegnet Elmar Fuchs vom Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen. „Jährlich werden etwa 10 Prozent gekürzt“, so Fuchs. Das seien bei 20 Milliarden Euro also etwa 2 Milliarden Euro. „Diese Praxis ist schlichtweg rechtswidrig“.
Wie äußern sich Versicherungsverband und Finanzaufsicht?
Der Versicherungsverband GDV dementiert eine rechtswidrige Kürzungspraxis. Er verweist darauf, dass im Falle eines Gerichtsverfahrens jeder zweite Fall zugunsten der Versicherer entschieden werde. Auch die Finanzaufsicht Bafin sieht laut WISO „keine Hinweise“ für eine „systematische und rechtswidrige Praxis der Autoversicherer“.
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