- Von Lorenz Klein
- 03.02.2023 um 09:48
Nur mal so ein Gedankenspiel: Ein Mann kauft sich einen Gebrauchtwagen. Leider stellt sich einige Monate später heraus, dass mit dem Auto irgendetwas nicht stimmt. Der Käufer pocht beim Verkäufer auf seine Gewährleistung. Doch diese bekommt er von ihm nicht. Der enttäuschte PKW-Inhaber möchte klagen – schließlich hat er ja eine Rechtsschutzversicherung! Aber muss die überhaupt zahlen?
Nun, dazu muss man die zeitliche Abfolge des Falls rekonstruieren: Der Kaufvertrag wurde, sagen wir, am 19. Juni 2017 geschlossen. Der Käufer macht seinen Gewährleistungsanspruch am 8. August 2018 geltend. Seine Rechtsschutzversicherung hat er am 1. Januar 2018 abgeschlossen.
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Im Klartext: Die Police wurde abgeschlossen, bevor der Autokäufer seinen Gewährleistungsanspruch eingereicht hat. Alles gut also? Nein, denn die Rechtsschutzversicherung verweigert die Deckungszusage. Begründung: Das Datum des Kaufvertrags sei hier maßgeblich und das lautet nun mal auf den 19. Juni 2017 – ein gutes halbes Jahr vor dem Versicherungsabschluss. Der Schutz sei damit nicht erfüllt, weil das Ereignis nicht in die versicherte Zeit falle.
„So oder so ähnlich haben sich viele Rechtsschutzversicherer verhalten“, sagt der Hamburger Fachanwalt Björn Jöhnke. Doch dann sprach der Bundesgerichtshof (BGH) am 3. Juli 2019 ein wegweisendes Urteil (Aktenzeichen IV ZR 111/18), das Jöhnke als „ausgesprochen verbraucherfreundlich“ einschätzt.
Verbraucherfreundliches BGH-Urteil
Grob gesagt, erklärten die BGH-Richter, dass nicht mehr der Abschluss des Kaufvertrags den Zeitpunkt des Schadeneintritts definiert, sondern der Zeitpunkt, an dem der Käufer seinen Gewährleistungsanspruch geltend macht. „Für die Deckungszusage ist jetzt nur noch ausschlaggebend, ob zum Zeitpunkt des Schadenereignisses Versicherungsschutz bestand oder nicht“, weiß Versicherungsmakler Sven Nebenführ. Der Rechtsschutzexperte aus Taunusstein hatte mit Anwalt Jöhnke bereits im Dezember 2021 in einem gemeinsamen Gastbeitrag für Pfefferminzia über die Folgen des Urteils diskutiert.
„Es kommt darauf an, wer das Datum der Pflichtverletzung bestimmt – im Aktivprozess tut dies der Kläger, im Passivprozess der Beklagte“, erinnert Nebenführ heute noch einmal an die Kernaussage des Urteils. Bezogen auf das obige Beispiel übernimmt also der Kläger den aktiven Part, indem er den sogenannten Aktivprozess anstößt. Er legt damit das Datum des Schadeneintritts selbst fest. Der Beklagte, im Beispiel der Verkäufer, befindet sich damit im Passivprozess.
Der Clou des Ganzen: Sofern auch der Verkäufer eine Rechtsschutzversicherung besitzt, muss sich der Versicherer im Passivprozess genauso an den Schadeneintrittszeitpunkt halten – und das ist hier das Datum des gegnerischen Gewährleistungsanspruchs. Kurzum: Die Deckungszusage einer Rechtsschutzversicherung richtet sich nach dem Stichtag, der den Aktivprozess in Gang setzt. Wann der Kaufvertrag konkret abgeschlossen wurde, ist seit dem Urteil nicht mehr maßgeblich.
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