- Von Lorenz Klein
- 18.07.2017 um 11:15
Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung (PKV) lösen unter Versicherten regelmäßig Unmut aus und manchmal erwächst daraus ein juristischer Streit: Das Amtsgericht Potsdam hatte im Februar 2017 zugunsten eines bei der Axa privat krankenversicherten Mannes entschieden (Aktenzeichen 29 C 122/16). Dem Urteil zufolge sind die vom Versicherer ausgesprochenen Beitragserhöhungen unwirksam (wir berichteten).
Urteil über mögliche unrechtmäßige Beitragsanpassungen der Axa verschoben
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„Viele Schwachstellen mit No-Gos“
Die Richter sahen es als erwiesen an, dass es an einer ordnungsgemäßen Zustimmungserklärung eines unabhängigen Treuhänders fehlt, wie es Paragraf 203 Abs. 2 S. 1 VVG vorschreibt: „Nach dieser Vorschrift sind Prämienerhöhungen bei Krankenversicherungsverträgen der vorliegenden Art nur wirksam, wenn ein unabhängiger Treuhänder der Prämienanpassung zugestimmt hat“, heißt es in den Entscheidungsgründen.
Zwar habe der Treuhänder den in Streit stehenden Prämienerhöhungen zugestimmt. „Er war jedoch nicht unabhängig im Sinne der genannten Vorschrift“, heißt es. Begründung: Der Treuhänder hat mehr als 30 Prozent seiner Vergütung direkt von der Axa erhalten und sei damit befangen.
Bafin kontert Richter
Die Finanzaufsicht Bafin hat sich nun gegen den Richterspruch positioniert und diesen in der aktuellen Ausgabe des Bafin-Journals kritisch kommentiert.
Demnach hat sich das Amtsgericht Potsdam bei seiner Beurteilung des Falls sinngemäß auf eine falsche Vorschrift berufen, die auf den PKV-Treuhänder gar nicht zutrifft.
Konkret haben sich die Richter laut Bafin auf eine Spezialvorschrift für Wirtschaftsprüfer aus dem Handelsgesetzbuch (HGB) gestützt. Denn das VVG benenne gar keine konkretisierenden Voraussetzungen für die Unabhängigkeit des Treuhänders, der einer Beitragsanpassung zustimmen muss, so die Bafin.
Laut dem HGB-Passus, den die Richter aus Sicht der Bafin offenbar fälschlicherweise anwendeten, ist ein Wirtschaftsprüfer dann von der Abschlussprüfung ausgeschlossen, „wenn er in den vorangegangenen fünf Jahren jeweils mehr als 30 Prozent der Gesamteinnahmen aus seiner beruflichen Tätigkeit von der zu prüfenden Kapitalgesellschaft bezogen hat und dies auch im laufenden Geschäftsjahr zu erwarten ist“.
„Mit anderen Worten“, schlussfolgert die Behörde, könne ein Treuhänder in der privaten Krankenversicherung nach dieser Auffassung „nicht unabhängig sein, wenn er eine nennenswerte Vergütung für seine Treuhändertätigkeit bei einem Unternehmen erhält.“
Die Bafin teilt diese Auffassung nicht.
Aus aufsichtsrechtlicher Sicht erscheine es nicht gerechtfertigt, schreibt die Behörde, dass allein aufgrund der Tatsache, dass der Treuhänder einen Großteil seiner Einkünfte aus der Tätigkeit für einen privaten Krankenversicherer bezieht, „einen Generalverdacht – beziehungsweise einen bösen Schein – abzuleiten“, nicht mehr unabhängig handelt.
Die Bafin will daher an ihrer derzeitigen Verwaltungspraxis festhalten: Man werde bei der Überprüfung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Treuhänder, „auch künftig keine Umsatzabhängigkeit entsprechend den Maßgaben von Paragraf 319 Absatz 3 Nr. 5 HGB unterstellen“, heißt es.
Zunächst bleibe ohnehin abzuwarten, ob die – noch nicht rechtskräftige – Entscheidung durch die Berufungsinstanz bestätigt werde, so das Resümee der Bafin.
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