- Von Karen Schmidt
- 20.02.2025 um 13:35
Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Versicherungswirtschaft sind keine abstrakten Zukunftsvisionen mehr. Der Januar 2025 war der wärmste seit Aufzeichnung der Wetterdaten. Extremwetterereignisse nehmen zu: Stürme und Überschwemmungen verursachen zunehmend höhere Schäden, die für die Versicherer ordentlich ins Geld gehen.
Im Fokus steht dabei die Frage, ob die Gebäudeversicherer diesen Herausforderungen gewachsen sind oder ob sie an ihre Grenzen stoßen. Um diese Frage zu beantworten haben die Versicherungsmathematiker von Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) verschiedenen Szenarien durchgerechnet.
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Aber zunächst: Wie ist der Status quo?
Die Risiken für Stürme, Flut, Erdbeben und Hagel addieren die Aktuare zu einem sogenannten Nat-Cat-Risiko auf. Das liege im Bereich der Gebäudeversicherer aktuell bei knapp 30 Milliarden Euro. Hinzu komme ein Prämienrisiko von rund 4 Milliarden Euro. Insgesamt benötigt die Branche laut MSK also gut 30 Milliarden Euro an Risikokapital. Die Gesamtprämie liege bei etwa 17 Milliarden Euro. „Die private Sachversicherung ist äußerst kapitalintensiv. Auf jeden Euro Prämie fallen fast zwei Euro Kapitalbedarf an“, sagt Tommy Berg, leitender Berater bei MSK.
Betrachtet man nun ein Szenario, in dem sich Prämien verdoppeln und gleichzeitig eine Inflation von 50 Prozent hinzukommt, steigt der Kapitalbedarf in der Sachversicherung um mehr als 50 Prozent, also rund 16 Milliarden Euro.
Auch Regulierung könnte reinhauen
Doch der Klimawandel ist nicht der einzige wichtige Faktor für die Gebäudeversicherer. Auch regulatorische Anpassungen – wie die von der Versicherungsaufsicht Eiopa vorgeschlagenen Änderungen in der Standardformel für die Nat-Cat-Risiken – können sich auswirken. Wenn auch nicht besonders stark. Da die von Eiopa vorgeschlagene Rekalibrierung in Deutschland nur das Hagelrisiko betrifft, steigt der Kapitalbedarf für die Sachversicherung dadurch nur marginal, meinen die Aktuare. Bei den KFZ-Versicherer kann das in der Kaskoversicherung eher reinhauen, hier sollten die Anbieter von einem Anstieg des Kapitalbedarfs um 29 Prozent ausgehen.
Und wie sieht es mit einer möglichen Elementarschaden-Pflichtversicherung aus? Die wird im aktuellen Bundestagswahlprogramm zwar nur von der Union gefordert, doch auch SPD, Grüne und Die Linke stehen einer Pflichtversicherung positiv gegenüber (wir berichteten). Könnte also kommen, glauben die Aktuare, wenn die FDP nicht Teil der künftigen Bundesregierung werde. Käme es dazu, ergäben sich fast 15 Milliarden Euro mehr Kapitalanforderungen, was einem Anstieg von 48 Prozent entspricht, so die Experten.
„Wenn man nun alle Effekte dieser Szenarien aufaddiert, kommen wir auf etwas mehr als 30 Milliarden Euro Risikokapital“, sagt Berg. Können die Gebäudeversicherer das tragen? Ja, die Versicherungsbranche sei grundsätzlich gut aufgestellt, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Die Bedeckungsquote lag 2023 bei 264 Prozent, was bedeutet, „dass die Branche als Ganzes erstmal stark genug“ ist, so Berg.
Für einzelne Gebäudeversicherer könnte die Situation allerdings kritisch werden, merkt der Aktuar an. Onnen Siems, Geschäftsführer von MSK, ergänzt: „Für Gebäudeversicherer mit einer niedrigen Solvenzquote wird es zunehmend schwieriger, den erhöhten Kapitalbedarf zu decken. Langfristig müssen sie ihr Angebot im Wohngebäudesegment überdenken. In solchen Fällen kann es zu Rückzügen aus dem Geschäftsbereich oder zu Fusionen kommen.“
Kapitalbedarf von bis zu 80 Milliarden Euro
Soll die Bedeckungsquote bei rund 260 Prozent gehalten werden, sei „ein zusätzlicher Kapitalbedarf von bis zu 80 Milliarden Euro erforderlich“, ergänzt Berg. Bereits heute müsse in der privaten Sachversicherung etwa das Doppelte des Prämienvolumens als Kapital vorgehalten werden. Bei einer angenommenen Verzinsung des Kapitals von 10 Prozent sei somit eine Combined Ratio von etwa 80 Prozent notwendig, „von der der Markt aktuell selbst bei ausbleibenden Naturkatastrophen weit entfernt ist“, wie die MSK-Experten feststellen.
Der notwendige Kapitalbedarf sowie dessen Kapitalkosten könnten durch die Erhöhung von Diversifikation gesenkt werden, etwa durch einen cleveren Spartenmix oder durch Risikotransfer in globale und besser diversifizierte Rückversicherungsmärkte.
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