- Von Karen Schmidt
- 17.11.2022 um 12:36
Unstrittig ist dabei nicht immer, was die EU hier festlegt. So hat das Europäische Parlament im Juli 2022 Erdgas und Atomkraft zu nachhaltigen Energieformen nach der Taxonomie erklärt – einschränkend aber als Übergangstechnologien, wenn sie also zum Beispiel schmutzigere Kraftwerke ersetzen. Damit dürfen entsprechende Unternehmen in nachhaltigen Investmentfonds und anderen Produkten auftauchen und kommen leichter an Investorengeld. Diese Entscheidung trifft nicht überall auf Gegenliebe, zum Beispiel beim Bundesverband Finanzdienstleistung AfW. Dessen geschäftsführender Vorstand, Norman Wirth, sagt: „Wir halten das für einen indiskutablen Schritt in die völlig falsche Richtung und kontraproduktiv für die Akzeptanz regulatorischer Schritte hin zu mehr Nachhaltigkeit. Die Taxonomie verliert nachhaltig an Glaubwürdigkeit, wenn erkennbar interessens-, aber nicht wissenschaftsbasierte Entscheidungen zulasten unserer Kinder und nachfolgender Generationen getroffen werden.“
Atomkraft und Gas als „grün“ zu befürworten, stößt auch in der deutschen Versicherungswirtschaft auf breite Ablehnung. 78 Prozent der Versicherer stufen derartige Energiequellen als nicht-taxonomiekonform ein. Die Hälfte der Befragten lehnt die Einstufung sogar strikt ab, zeigt eine Studie des German Sustainability Network in Zusammenarbeit mit V.E.R.S. Leipzig.
In anderen Bereichen ist die Europäische Union noch nicht so weit. Eine Sozialtaxonomie ist derzeit in Arbeit – einen ersten, nicht verbindlichen Vorschlag hat die Expertengruppe der EU im Frühjahr 2022 veröffentlicht. Die Kernziele der Sozialtaxonomie sollen danach lauten: menschenwürdige Arbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette, angemessener Lebensstandard und Wohlergehen der Verbraucher sowie inklusive und nachhaltige Kommunen und Gesellschaften. Die Europäische Kommission muss sich nun mit dem Vorschlag befassen.
Die Transparenzverordnung
Die „Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor“, kurz Transparenzverordnung oder auch Offenlegungsverordnung genannt, verpflichtet Finanzmarktteilnehmer dazu, offenzulegen, wie sie Nachhaltigkeitsrisiken im Investmentprozess und in ihren Finanzprodukten berücksichtigen. Als Finanzmarktteilnehmer gelten dabei unter anderem Lebensversicherer, Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung oder Anbieter von Altersvorsorgeverträgen – und auch Finanzberater sind davon betroffen.
Nachhaltigkeitsrisiken sind Ereignisse oder Bedingungen in den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung, die tatsächlich oder potenziell negative Auswirkungen auf den Wert einer Investition haben könnten. Dazu können Extremwetterereignisse genauso zählen, wie Reputationsrisiken oder politische Maßnahmen. Fondsprodukte müssen danach etwa in eine von drei Kategorien einsortiert werden: Sie sind entweder nicht wesentlich nachhaltig (Artikel 6). Oder sie berücksichtigen ökologische und soziale Kriterien (Artikel 8). Oder sie haben ein klar definiertes und messbares Nachhaltigkeitsziel (Artikel 9). Die technischen Regulierungsstandards (RTS), die festlegen, wie Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater Informationen über Nachhaltigkeit von Produkten darlegen müssen, sind nun in Kraft getreten und ab 2023 anzuwenden. Anleger sollen durch diese geregelten Informationen Finanzprodukte besser in Hinblick auf ihre Nachhaltigkeit vergleichen können.
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