Christof Schürmann vom Flossbach von Storch Research Institute: „Es gibt ein riesiges Regulierungschaos bei ESG, vor allem in Deutschland“. © Flossbach von Storch Research Institute
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  • 10.01.2025 um 13:06
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ESG-Regulierungsvorhaben gibt es auf EU-Ebene sehr viele. Dazu zählen beispielsweise die CSRD, CSDDD, EUDR und SFDR. Warum gerade diese Vielzahl der Standards für Firmen schwierig zu durchschauen ist und wie der aktuelle Stand in Deutschland aussieht, beschreibt Christof Schürmann vom Flossbach von Storch Research Institute in einem Gastartikel.

Das Kind musste einen Namen haben, und die PR-Leute der Europäischen Kommission haben ihre ESG-Initiative „Omnibus“ genannt. Omnibus bedeutet „für alle“ und soll vermutlich etwas Positives signalisieren. Es geht um eine neue Verordnung der Europäischen Union, die Berichtspflichten im Kontext von ESG (Environment, Social, Governance) vereinfachen soll.

Die im November 2024 angestoßene Initiative soll Regelungen

  • aus der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD),
  • der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), der Entwaldungsverordnung (EUDR),
  • der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) und
  • der EU-Taxonomie-Verordnung reduzieren.

Die Ankündigung ist Teil der Budapester Erklärung zum „Neuen Deal für die europäische Wettbewerbsfähigkeit“. Es handelt sich um einen Zwölf-Punkte-Plan. Die EU möchte den wirtschaftlichen Wohlstand, die Sicherheit und die Widerstandsfähigkeit Europas in den kommenden Jahren stärken.

Start der Entwaldungsrichtlinie EUDR auf Ende 2025 verschoben

Teil des Plans: Im ersten Halbjahr 2025 sollen „konkrete Vorschläge vorliegen, um die Berichtspflichten um mindestens 25 Prozent zu reduzieren“. In einem ersten Schritt verschob die EU die Entwaldungsverordnung (EUDR) um ein Jahr, auf den 31. Dezember 2025.

Die EUDR soll sicherstellen, dass bestimmte Rohstoffe und Erzeugnisse nur dann in die EU ein- oder ausgeführt oder bereitgestellt werden dürfen, wenn diese nicht mit Entwaldung und Waldschäden in Verbindung stehen.

Dass sie die Berichtspflichten verschiebt und reduziert, verkauft die EU als Wachstumsinitiative. Beides ist aber in Wahrheit ein Eingeständnis einer Überregulierung und eines Regelungschaos. Das ist in Deutschland besonders groß. Denn die CSRD-Richtlinie, deren Umfang die EU reduzieren will, hat hierzulande bisher nicht einmal Gesetzeskraft erlangt.

Die CSRD zurrt strenge Regeln fest, wie Unternehmen über ihre Bemühungen zur Kohlendioxid-Reduktion berichten sollen. Zusätzlich fordert sie Angaben zu Sozialem und zur Unternehmensführung, zwei weiteren ESG-Kriterien.

In Deutschland dient das Handelsgesetzbuch (HGB) als gesetzliche Basis, in das die CSRD eingepflegt werden soll.

Spätester Stichtag wäre eigentlich der 6. Juli 2024 gewesen. Seit dem 1. Januar 2024 sollten Firmen die CSRD rückwirkend anwenden. Das bedeutet, dass vom Jahr 2025 an zu erstellende Geschäftsberichte die Richtlinie zwingend hätten berücksichtigen müssen.

Dabei geht es den Vorgaben der Richtlinie nach stufenweise voran. Betroffen sind zunächst alle Unternehmen, die bereits unter die sogenannte Non-Financial Reporting Directive (NFRD) fallen und deshalb eine sogenannte nicht-finanzielle Berichterstattung leisten müssen.

11.700 große Firmen in der EU haben sich bereits auf die CSRD vorbereitet

In der EU sind das 11.700 große Unternehmen, die sich – vermutlich – alle auf den Richtlinienwechsel vorbereitet haben. Die im Januar 2023 von Seiten der EU verabschiedete CSRD löste die NFRD ab. Inhaltlich gelten für die Umsetzung der CSRD die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die die EU pünktlich zum 1. Januar 2024 eingeführt hatte.

Längst ist klar, dass die CSRD mit dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und anderen Richtlinien wie der CSDDD, einer Verordnung, die Unternehmen verpflichtet, Umwelt- und soziale Schäden in Lieferketten zu identifizieren und zu mildern, kollidiert, und sich in Teilen doppelt.

Am 17. Dezember 2024 verfasste die Rumpfbundesregierung ein Schreiben an die EU-Kommission mit der Bitte, die CSRD abzuschwächen:

  • Unter anderem sollen nicht-börsennotierte Kapitalgesellschaften, die nach der CSRD von 2026 an für das vorherige Geschäftsjahr offenlegungspflichtig sind, erst von 2028 an berichten müssen.
  • Zudem soll die EU die Schwellenwerte für diese Unternehmen analog zur CSDDD auf Unternehmen mit 1.000 Mitarbeitern und 450 Millionen Euro Jahresumsatz anheben und die Anzahl an berichtspflichtigen Datenpunkten reduzieren.

Diese wohlgemeinten Vorschläge dürften, wenn auch sinnvoll, eher zu noch mehr Unsicherheit beitragen.

Alle Unternehmen in der EU, die entweder verpflichtend oder freiwillig die CSRD erfüllen möchten, stehen in diesem Januar ohnehin vor noch unbekannten Änderungen, die die „Omnibus“-Initiative mit sich bringen soll.

ESG-Richtlinie CSRD gilt in Deutschland noch nicht, Stakeholder wollen aber bereits die Informationen

In Deutschland kommt hinzu, dass die CSRD zwar noch nicht gilt. Aber interne und externe Stakeholder wie Gläubiger oder Shareholder wünschen sich die dort geforderten Informationen möglicherweise oder benötigen sie aufgrund eines anderen Regulierungsrahmens. Wenn sie ESG-Kriterien vernachlässigen, drohen Unternehmen beispielweise höhere Kreditzinsen.

Doch selbst wenn deutsche Unternehmen freiwillig, ohne gesetzliche Basis, die CSRD anwenden, kommen sie nicht umhin, die alte nicht-finanzielle Berichterstattung nach NFRD fortzuführen. Das ist zumindest die Lesart des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW), an der sich die Prüferbranche orientiert.

Das ist ein Nachteil gegenüber Unternehmen aus Ländern wie Frankreich und Italien, bei denen die CSRD-Richtlinie Gesetzeskraft hat. Außerdem kostet die zusätzliche Berichterstattung Zeit und Geld. Und sie trägt zum sogenannten „Information Overload“ bei. Der Umfang der Berichte überfordert das Publikum. Deren Wahrnehmung für möglicherweise wichtige Informationen sinkt.

Untätig blieben Wirtschaftsprüfer in Deutschland, die schon den Bleistift gespitzt haben, um der CSRD gemäß den ESRS Brief und Siegel zu erteilen.

Denn die bisherige und laut IDW-Einschätzung weiterhin von Unternehmen zu leistende nicht-finanzielle Berichterstattung (NFRD) unterliegt keiner externen (materiellen) Pflichtprüfung, im Gegensatz zu den ESRS.

Allerdings liegt der Teufel wie immer im Detail. So hat das für Bilanzierungsfragen zuständige Deutsche Rechnungslegungs Standards Commitee (DRSC) in einem Briefing Paper am 18. Dezember 2024 Auswege aufgezeigt, inwieweit Unternehmen die alte, aber in Deutschland eben noch nicht abgeschaffte nicht-finanzielle Erklärung mit den ESRS in ihren Geschäftsberichten verknüpfen können.

Dies sei vor allem dann notwendig, wenn Unternehmen Tochtergesellschaften in einem EU-Land, in dem die CSRD fristgerecht eingesetzt wurde, besitzen. Und grundsätzlich verweist das DRSC darauf, dass die betroffenen Unternehmen sich längst auf die CSRD/ESRS vorbereitet hätten und eine Rolle rückwärts kaum mehr möglich sei.

Lesen Sie auf der zweiten Seite unter anderem, welche Kosten Firmen in Deutschland durch CSRD-konforme Berichte entstehen.

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