- Von Barbara Bocks
- 11.09.2024 um 13:34
ESG (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) sorgte lange für einen wahren Finanzmarkthype. Ist der frühere Hype in Deutschland, Europa und den USA aktuell abgeflacht?
Dadun: Wir sehen tatsächlich, dass der ESG-Trend den Kinderschuhen entwächst, dass etwa der Aktionismus bei Hauptversammlungen nachlässt. Es ist ferner nicht zu leugnen, dass viele ESG-Anlageprodukte dem Hype in den ersten Krisen nicht gerecht werden konnten. Insbesondere der abrupte Zinsanstieg im Kampf gegen die Inflation war für viele klassische ESG-Player mit ihren kapitalintensiven Anlagen – Erneuerbare Energieen, Infrastruktur etc. – natürlich ein Stimmungs- und Performance-Killer.
Es gilt nun, hieraus die Lehren zu ziehen. Wir sehen ferner, dass in den USA ein wahrer Kulturkampf rund um ESG entbrannt ist, da insbesondere Staaten mit fossiler Energieförderung den Entwicklungen an der Wall Street entgegentreten wollen.
Gibt es weltweit einheitliche Gründe, die dafür sorgen, dass ESG unter Anlegern nicht mehr so beliebt ist?
Dadun: Bei vielen Anlegern ist ESG weiterhin gefragt und gefordert. Allerdings gibt es – vor allem in den USA – zunehmend auch Kritiker, die sich von der Regulatorik bevormundet fühlen. Ich glaube, dass wir beim Trend des nachhaltigen Investierens eine stärkere Balance zwischen Renditeerwartung und der Lenkung von Finanzströmen sehen werden. Ein Bewusstsein für die Themen Ökologie, Soziales und Governance nehmen wir weiterhin stark wahr. Somit hat auch ESG weiterhin eine große Bewandtnis.
BlackRock, ein bis dato besonders lauter Advokat des ESG-Themas, fährt seine Unterstützung für Aktionärsanträge bei den Themen Umwelt und Soziales deutlich zurück. Werden andere Akteure diesem Beispiel folgen?
Dadun: Wir sehen bereits, dass der Aktionismus seitens der großen Vermögensverwalter durch die Bank zurückgeht. Blackrock war hier stets besonders exponiert und gilt als Trendindikator. Das zu forsche Vorgehen der Wall Street Größen stieß zunehmend auf Kritik. Nun sagt etwa Blackrock, dass viele Anträge und Vorschläge zu drastisch beziehungsweise redundant sind. In den kommenden Jahren wird die Finanzindustrie um Wege ringen, wie man ökonomische Vorgaben besser mit ESG-Gesichtspunkten verbinden kann.
Im Zuge der Zinserhöhungen im Kampf gegen die Inflation ging an den Börsen vielen klassischen ESG-Anlagen renditemäßig die Puste aus. Wie sehr ist diese schlechtere Performance für die aktuelle Flaute bei ESG-Investments verantwortlich?
Dadun: Natürlich bringt eine deutlich schlechtere Rendite Fondsmanager schnell in Erklärungsnot und schrecken neue Anleger ab. Ganz klassisch nachhaltige Werte tragen häufig ein besonderes Zinsrisiko, da sie etwa Großprojekte in den Bereichen Erneuerbare Energien oder Infrastruktur stemmen müssen. Eine rasant steigende Zinskurve bringt hier naturgemäß schwierige Refinanzierungsaussichten und bremst Neuprojekte.
Allerdings könnte sich diese Entwicklung mit sinkenden Zinsen auch wieder ausgleichen. Ganz generell bleibt abzuwarten, wie diese Produkte für wirklich langfristig aufgestellte Investoren performen können. Eine Hoffnung ist ja, dass Unternehmen, die nachhaltige Geschäftsmodelle verfolgen, resilienter gegenüber langfristigen Risiken wie etwa dem Klimawandel sind und somit auf lange Sicht besser aufgestellt sind.
Was für ein Comeback der ESG-Investments trotz der aktuell schwierigeren Lage sprechen könnte, lesen Sie auf der kommenden Seite.
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