- Von Juliana Demski
- 25.11.2021 um 17:01
Nachhaltigkeitsfragen bestimmen bereits heute zu großen Teilen die Strategie sowie das operative Handeln von Versicherungsunternehmen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Beratungsunternehmens EY und des Analysehauses V.E.R.S. Leipzig. Bereits heute erreicht die Einschätzung der Relevanz von Nachhaltigkeit bei den befragten Unternehmen einen Indexwert von 84 auf einer Skala von 0 bis 100. Innerhalb der kommenden zwei Jahre dürfte dieser Bedeutungsindex laut Studie sogar auf 94 steigen.
„Es fehlt noch an einheitlichen Nachhaltigkeitskriterien“
„Früher oder später werden alle Lebensversicherungen nachhaltig sein“
„Die Branche ist sich ihrer Rolle für die grüne Transformation unserer Wirtschaft bewusst“, folgert Thomas Korte von EY aus diesen Zahlen. „Allerdings stehen die Unternehmen erst am Anfang ihrer Bemühungen.“
Was Versicherer nun tun müssen
Für eine ganzheitliche Transformation der Branche müssten die Unternehmen gleich mehrere Herausforderungen meistern, erklärt EY-Partner Korte: „Zum einen müssen sie die ESG-Faktoren in ihre Angebote integrieren – auch um die veränderten Kundenwünsche zu bedienen. Zum anderen gilt es, die gesamtwirtschaftlich bedeutende Kapitalanlage von fast 1,8 Billionen Euro ökonomisch und ökologisch verantwortungsbewusst anzulegen. Und schließlich tragen sie mit dem Underwriting wesentlich zur Entwicklung ökologisch positiver oder negativer Geschäftsfelder bei.“
Rückzug aus Kohleindustrie
Konkret hätten weltweit bereits 23 der 30 größten Versicherungsunternehmen ihre Geschäfte mit der Kohleindustrie eingeschränkt oder beendet. Immer mehr Unternehmen verpflichteten sich auf ein klimaneutrales Anlageportfolio und ein klimaneutrales Versicherungsportfolio bis 2050.
Die wichtigsten Handlungsfelder für die Unternehmen seien derzeit zudem die Kapitalanlage (Indexwert: 78) – und zwar noch vor der eigenen Unternehmensinfrastruktur (Indexwert: 74) sowie der Kommunikation (Indexwert: 74), den Human Resources (Indexwert: 73) und dem Risikomanagement (Indexwert: 71), schreiben die Studienautoren.
Mit Blick auf die Potenziale werden nach Einschätzung der Befragten aber andere Bereich deutlich an Bedeutung gewinnen. Laut der Studie erwarten die Versicherer in den kommenden zwei Jahren einen wesentlichen Anstieg der Relevanz von Nachhaltigkeit beim Pricing, im Vertrieb sowie im Leistungs- und Schadenmanagement.
„Das sind zentrale Funktionen der Wertschöpfungskette von Versicherern“, erklärt Fred Wagner, Direktor des Instituts für Versicherungslehre an der Universität Leipzig und Co-Autor der Studie. „Offensichtlich sehen die Versicherer hier besonderen Handlungsbedarf.“
Politik sieht Versicherer in der Verantwortung
Die Studie zeigt außerdem: Auch die Politik sieht die Versicherungswirtschaft in einer Vorreiterrolle beim Thema Nachhaltigkeit. Im Fokus steht dabei die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bei der Kapitalanlage. Aber auch das Underwriting beziehungsweise Pricing sehen Politiker als wichtigen Einflussfaktor an, mit dem die Versicherer Verantwortung übernehmen könnten.
Die Versicherer selbst sehen sich indes bereits auf einem guten Weg. Als wichtigste Stellschraube nannten sie die Kapitalanlage. Mit ihr wollen sie der Studie zufolge Finanzströme stärker in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten zu lenken. Dabei setzen die Unternehmen vor allem auf die Einhaltung der Principles for Responsible Investment (PRI) sowie auf Positiv- und Ausschlusskriterien und auf die Dekarbonisierung des Portfolios. Aktive Maßnahmen wie Engagement oder Impact Investment haben laut Studie noch eine vergleichsweise geringe Bedeutung.
Zur Methodik:
Für die Studie wurden 22 Erstversicherungsgesellschaften befragt, die auf dem deutschen Markt aktiv sind. Sie decken einen Marktanteil von 58 Prozent ab. Hinzu kamen drei Rückversicherer sowie fünf große Vertriebsgesellschaften. Zudem befragten die Autoren verschiedene politische Parteien zur Rolle der Versicherungswirtschaft für die Transformation der Wirtschaft.
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