- Von Jens Lehmann
- 10.12.2024 um 08:21
Pfefferminzia: Die Weltmeere nehmen sehr viel Wärme und CO2 aus der Atmosphäre auf. Sind sie mit Blick auf den Klimawandel unsere Rettung?
Prof. Detlef Stammer: Sie sind nicht die Rettung, aber eine Hilfe. Die Ozeane nehmen etwa 25 Prozent des anthropogenen CO2 auf und damit etwa genauso viel wie die Landoberfläche. Sonst wäre die Atmosphäre noch erheblich wärmer. Allerdings wird das nicht so weitergehen. Voraussichtlich werden die Ozeane künftig deutlich weniger CO2 und weniger Wärme als bisher aufnehmen können. Mit negativen Folgen fürs Klima.
Lässt sich die Erwärmung dann überhaupt noch stoppen oder wenigstens bremsen?
Prof. Stammer: Sicher nicht bei 1,5 Grad, denn dieses Ziel haben wir in diesem Jahr schon überschritten. Gleichzeitig steigt der globale CO2-Ausstoß weiter an – ein sichtbares Zeichen, dass der gesellschaftliche und politische Wille fehlt, die CO2-Emissionen bis 2030 wie angepeilt tatsächlich um 50 Prozent und bis 2050 auf null zu reduzieren. Darum müssen wir realistisch sein: Aktuell sind wir auf einem Pfad in Richtung zwei bis drei Grad und darüber.
Bedeutet dies, dass der Meeresspiegel weiter ansteigen wird und manche Küstenregionen oder Inselstaaten im Pazifik und im Indischen Ozean buchstäblich untergehen könnten?
Prof. Stammer: Der Meeresspiegel wird definitiv weiter ansteigen – und damit steigt auch die Gefahr für Inseln und Küstenregionen. Wir haben aber noch immer die Chance, den Anstieg zu begrenzen, indem wir die Erwärmung bremsen.
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Wie kann das funktionieren?
Während ein wesentlicher Teil des Meeresspiegelanstiegs der vergangenen 100 Jahre auf die Erwärmung der Ozeane zurückgeht, liegt in Zukunft die größte Unsicherheit an Land. Entscheidend wird sein, wie viel Eismasse in Grönland und in der Antarktis schmelzen wird. Das hängt stark davon ab, wie wir die Temperaturen auf der Erde mit unserem globalen CO2-Ausstoß weiter anheizen. Schlimmstenfalls wird Grönland in 100 Jahren eisfrei sein, und auch in der Antarktis könnten riesige Eismassen verschwinden. Das hätte einen erheblichen Anstieg des Meeresspiegels zur Folge – mit Konsequenzen für unsere Küsten. Aber der Klima-Zug ist noch nicht abgefahren. Gerade mit Blick auf den Meeresspiegel wird entscheidend sein, ob wir in den nächsten ein, zwei Dekaden doch noch die Kurve kriegen und die Erderwärmung begrenzen.
Auch in Europa steigen die Schäden durch Extremwetterereignisse. Werden Katastrophen wie im 2021 Ahrtal zunehmen?
Prof. Stammer: Tendenziell führt der Klimawandel zu einer Häufung extremer Wetterereignisse. Manche Überschwemmungs-Katastrophen gehen allerdings nicht allein auf den Klimawandel zurück, sondern haben auch damit zu tun, dass wir Flüsse zu sehr eingeengt und dort Häuser gebaut haben, wo wir sie nicht hätten bauen dürfen. Richtig ist aber, dass wir uns in Zukunft auf noch mehr Extremwetterereignisse und noch größere Schäden durch den Klimawandel einstellen müssen.
Können Investmentgesellschaften und Versicherer, die am Ende solche Schäden regulieren müssen, mit ihren Anlageentscheidungen positiven Einfluss auf das Klima nehmen?
Prof. Stammer: Grundsätzlich schon, denn sie sind wie andere Unternehmen auch Teil der Wirtschaft und neben Gesellschaft und Politik mitverantwortlich für das Klima. Investitionen, beispielsweise in Technologien zum Einsparen von Energie, in eine bessere Energiespeichertechnik, in Solaranlagen oder die Entwicklung der Fusionsenergie, können langfristig viel bewirken. Gerade Investitionen in alternative Energien könnten uns die Chance eröffnen, CO2 aus der Atmosphäre herauszuziehen. Unsere Anlageentscheidungen von heute spielen also eine Rolle, wenn es um das Klima von morgen geht. Doch über allem steht, dass wir unseren Lebensstil überdenken und verändern müssen. Wir können nicht so weitermachen wie bisher.
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