- Von Lorenz Klein
- 15.07.2022 um 16:26
Insbesondere aus Sicht deutscher Kunden darf Nachhaltigkeit im Kontext von Versicherungsschutz nichts kosten. Zu diesem Fazit kommt eine repräsentative Online-Umfrage des Marktforschungsunternehmens Yougov im Auftrag des Beratungsunternehmens Bearing Point für die Länder Deutschland, Österreich und Schweiz.
Die Bereitschaft, Leistungseinbußen oder höheren Prämien für mehr Nachhaltigkeit hinzunehmen, ist zwar in der jungen Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen deutlich höher. Doch beim Blick auf die Zustimmungswerte in der Gesamtbevölkerung wären in Deutschland nur 32 Prozent, in Österreich 41 Prozent und in der Schweiz immerhin 46 Prozent bereit, für mehr Nachhaltigkeit auf Versicherungsleistungen zu verzichten (siehe Grafik).
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Gefragt nach der Bereitschaft zur Zahlung einer höheren Prämie für einen nachhaltigen Zweck, wären sogar nur 27 Prozent der Deutschen, 39 Prozent der Österreicher und 36 Prozent der Schweizer dazu bereit. Über 50 Prozent lehnen in allen drei Ländern eine erhöhte Prämie ab, um damit eine nachhaltige Produktausrichtung zu fördern. Schon im Vorjahr stimmten weniger als ein Drittel der Idee zu, den Versicherungsschutz für weniger umweltfreundliche Fahrzeuge, wie etwa große SUV, zugunsten von Fahrzeugen mit guter Klimabilanz zu verteuern.
Zwar bejahen die meisten Befragten in allen drei Ländern, dass Versicherungsunternehmen eine wichtige Rolle bei der Förderung von Nachhaltigkeit spielen sollen – doch die Zustimmung hierfür ist gegenüber dem Vorjahr deutlich gesunken. So sind aktuell 53 Prozent der Deutschen, 64 Prozent der Österreicher und 67 Prozent der Schweizer der Ansicht, dass Versicherer mit ihren Produkten nachhaltiges Verhalten fördern sollen. 2021 sagten das aber noch 71, 80 und 81 Prozent.
Umweltschutz sticht andere ESG-Kriterien aus
Weiter zeigt sich, dass die Aspekte der Umwelt- und Ressourcenschonung andere ESG-Elemente wie soziales Engagement oder gute Unternehmensführung deutlich überlagern. „Dies mag auch unter dem Eindruck der aktuellen Kriegsfolgen stehen, in denen Ressourcenschonung auch im Kontext der Energieeinsparung erkannt wird“, mutmaßen die Autoren.
Gefragt nach den für sie wichtigsten Themen stehen „Investitionen in Umweltschutz“ bei den Befragten weiterhin ganz oben. Zugleich ist auch Transparenz bei nachhaltigen Produkten wichtig. So fordern viele Menschen konkrete Nachweise eines nachhaltigen Wirtschaftens ein. Dazu passt, dass für 48 Prozent der Deutschen, 59 Prozent der Österreicher und 58 Prozent der Schweizer eine externe Zertifizierung, wie etwa durch ein Siegel, bei der Entscheidung zugunsten eines nachhaltigen Produkts wichtig ist.
„Nachhaltigkeit setzt sich in den Köpfen der Verbraucher fest. Mit vermeintlich steigendem Verständnis für das Thema, nimmt aber auch die Skepsis hinsichtlich der Rolle von Versicherungen und Versicherungsprodukten beim Thema Nachhaltigkeit zu“, interpretiert Giso Hutschenreiter, Partner und Versicherungsexperte bei Bearing Point, die Ergebnisse.
Warum Deutsche besonders skeptisch erscheinen
„In Deutschland scheint das Thema aktuell besonders schwierig“, fügt Hutschenreiter hinzu – und begründet das damit, dass sich die traditionellen Vorbehalte deutscher Verbraucher gegenüber Finanzinstituten beim Thema Nachhaltigkeit fortzusetzen scheine. Immerhin setze sich aber bei anlageorientierten Produkten die Einschätzung durch, dass auf längere Sicht die nachhaltige Ausrichtung sich zumindest nicht nachteilig auf die Rendite auswirke, so der Experte.
Die größere Skepsis deutscher Verbraucher im Vergleich zu Versicherungskunden in Österreich und der Schweiz zeigt sich laut Bearing Point auch im Hinblick auf die Beurteilung von nachhaltigen Anlageprodukten von Versicherungen. So ist in Deutschland der Anteil derjenigen, die im Vergleich zu herkömmlichen Anlageprodukten bei nachhaltiger Ausrichtung langfristig mit einer niedrigeren (47 Prozent) und einer höheren Rendite (46 Prozent) rechnen, nahezu gleich verteilt. Anders in Österreich und der Schweiz: Mit 57 Prozent der Österreicher und 56 Prozent der Schweizer rechnen deutlich mehr Verbraucher mit einer höheren Rendite nachhaltiger Versicherungsprodukte als in Deutschland.
Es zeichne sich ein „schmerzhafter Lernprozess“ ab
Dass Produkte mit nachhaltiger Ausrichtung bereits grundsätzlich im Markt angeboten werden, meinen 47 Prozent der Deutschen, 56 Prozent der Österreicher und 57 Prozent der Schweizer. Für nur noch 29 Prozent der Deutschen (Vorjahr: 34 Prozent) würde inzwischen das Angebot nachhaltiger Produkte die Versicherungswahl beeinflussen, während 51 Prozent dies verneinen (Vorjahr: 48 Prozent). In Österreich und in der Schweiz sind die Zahlen zwar höher aber im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls rückläufig.
„Gegenüber dem Vorjahr verfestigt sich die Haltung der Kunden, dass mit einer nachhaltigen Ausrichtung des eigenen Verhaltens auch eine positive Auswirkung auf die Prämienhöhe verbunden sein sollte. Der gegebenenfalls nötige Verzicht auf Leistungen oder ein nachteiliger Effekt auf die Prämien – zum Beispiel in Form von preislichen Steuerungsimpulsen – trifft jedoch noch bei wenigen Verbrauchern auf Zustimmung“, betont Giso Hutschenreiter. Und weiter: „Sowohl für Kunde als auch Versicherer könnte sich noch ein schmerzhafter Lernprozess abzeichnen, dass Nachhaltigkeit auch ein Stück mit Verzicht, mindestens aber mit Veränderung zu tun hat.“
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