- Von Jens Lehmann
- 01.04.2025 um 09:58
Welche Nachhaltigkeitssiegel gibt es für Vermittler von Versicherungen und Finanzprodukten?
Peter Schmidt: Für Unternehmen allgemein haben sich einige ISO-Zertifizierungen oder die ZNU-Zertifizierung durchgesetzt. Versicherungsunternehmen erstellen häufig selbst Nachhaltigkeitsberichte. Bei Versicherungsmaklern und Finanzanlagevermittlern gibt es dagegen noch keine marktprägenden Nachhaltigkeitszertifikate. Häufig bleibt es bei Nachhaltigkeitsanalysen und ESG-Berichten. Es gibt aber bereits Vermittler, die Zertifikate auf Basis der „Corporate Sustainability Reporting Directive“ der EU nutzen oder ihre Nachhaltigkeit von Rating-Agenturen bewerten lassen.
Welche Kriterien muss ein Vermittler erfüllen, um als nachhaltig zertifiziert zu werden?
Schmidt: Je nach Methodik der Rating-Agentur erfolgt eine Analyse auf drei Ebenen. Erstens geht es um die eigenen Emissionen, zum Beispiel durch Nutzung eines Autos, die Heizung im Büro sowie den gesamten Beratungs- und Serviceprozess. Auf Ebene Zwei sehen wir uns die indirekten Emissionen durch Dienstleister wie Strom- oder Wärmeversorger an. Die dritte Ebene umfasst die ermittelbaren Emissionen entlang der Wertschöpfungskette bei den Produktpartnern für Kapitalanlagen. Je nach Analysetiefe und den daraus resultierenden Ergebnissen lässt dies eine Einschätzung zur Nachhaltigkeit zu. Ein Rating führt dann zu Bewertungen oder auch Siegeln. Wir selbst vergeben ein Plus-Symbol in den Stufen Bronze, Silber und Gold.
Wie gehen Vermittler vor, die ein Nachhaltigkeitssiegel anstreben?
Schmidt: Der Anstoß dafür kommt oft von den Kunden. Ein Makler, der „grüne“ Produkte vermittelt und viele Kunden hat, denen das Thema Zukunftssicherheit wichtig ist, wird zeigen wollen, dass er selbst auch nachhaltig arbeitet. Dafür benötigt er ein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Beratungskonzept, um Kunden gut zu nachhaltigen Produkten beraten zu können. Dafür wiederum muss er einen Blick hinter die „Kulissen“ der Anbieter werfen, um einschätzen zu können, ob in einem Produkt auch wirklich Nachhaltigkeit steckt oder ob es nur ein nachhaltiges „Mäntelchen“ trägt. All das betrifft die dritte Ebene. Im Weiteren muss das Konzept um Ebene 1 und 2 ergänzt werden.

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Was heißt das konkret?
Schmidt: Zu einer umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie gehört nicht nur die Vermittlung nachhaltiger Produkte. Wir beraten beispielsweise nicht nur zur Nachhaltigkeit und vergeben Siegel, sondern handeln auch selbst nachhaltig. Unter anderem beziehen wir Ökostrom, räumen dem Zug Vorrang vor Flugzeug oder Auto ein, nutzen reine E-Autos, arbeiten weitgehend papierlos, beraten meist online und engagieren uns in der Umweltinitiative IKV.
Wie läuft eine Zertifizierung für Makler oder Finanzanlageberater bei Ihnen ab?
Schmidt: Am Anfang steht eine Datenabfrage. Wir folgen dabei zunächst den drei ESG-Kriterien Environment, Social und Governance und stellen pro Bereich zirka 20 Unterfragen. Dazu haben wir noch die Kriterien Products, Advisory und Workflow, ebenfalls mit je 20 Fragen. Jede Frage haben wir mit quantitativen Maßstäben unterlegt, die Punkte für die Gesamtbewertung bringen.
Haben Sie ein Beispiel für Ihr Punktesystem?
Machen nachhaltige Produkte mindestens zehn Prozent des Umsatzes, gibt es einen Punkt, über 20 Prozent zwei und über 50 Prozent drei Punkte. Vom Prinzip bewerten wir so alle Antworten. Auf dieser Basis erstellen wir einen Nachhaltigkeitsbericht und vergeben ein Nachhaltigkeitssiegel. Beides kann der Unternehmer marketingmäßig verwerten. Bleibt die Gesamtbewertung unter 39 Punkten, gibt es kein Siegel und keine positive Bewertung. Der Unternehmer weiß dann, wo er Entwicklungspotenzial hat.
Wie lange gilt ein Siegel, und was kostet es?
Schmidt: Unser Siegel gilt bis zum Ende des nächsten Kalenderjahres. Dann kann es erneut evaluiert werden. Die Kosten für die Erstbewertung eines kleinen Maklerunternehmens liegen bei 1600 Euro, die Folgebewertung ist etwas günstiger.
Welchen Mehrwert hat ein Nachhaltigkeitssiegel für Vermittler?
Schmidt: Die Marketingwirkung auf die Kunden und der Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten ist kaum zu unterschätzen. Vermittler können Kunden mit starker Umwelt- und Klimaaffinität bedarfsgerechter und glaubwürdiger beraten. Zudem stärkt das Siegel die Kundenbindung. Und ganz allgemein bringt nachhaltiges Arbeiten Vermittlern handfeste betriebswirtschaftliche Vorteile: Wer seine Kunden online berät, spart Kosten für Auto, Benzin oder Strom und letztlich auch wertvolle Arbeitszeit.

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