- Von Oliver Lepold
- 24.08.2022 um 10:45
Pfefferminzia: Wie hat sich der Trend zu passiven Investments, zu denen maßgeblich auch „Exchange Traded Fund” – kurz ETFs – gehören, samt Kosten entwickelt?
Moritz Schüßler: Schon seit 2018 sehen wir in Europa Nettomittelzuflüsse in passiven Investments wie Indexfonds und ETFs, während aktive Fonds insgesamt Nettomittelabflüsse zu verzeichnen haben. In den USA beobachten wir diesen Trend bereits seit 2012. Indexbasierte Investments wurden anfangs hauptsächlich von institutionellen Anlegern genutzt. Unter anderem durch vermehrte Medienberichterstattung über die letzten Jahre stieg dann das Interesse auch bei deutschen Endanlegern. Die Kostenquoten in allen Anlageklassen auf dem deutschen Markt sind laut einer aktuellen BVI-Statistik in den letzten fünf Jahren immer weiter gefallen. Auch hier lässt sich also der sogenannte „Vanguard-Effekt“ beobachten, den uns die US-Presse einmal auferlegt hat: sobald bedeutende Fondsgesellschaften in einen neuen Markt gehen, entsteht zusätzlicher Druck auf die Kosten.
Werden die Gebühren noch weiter sinken?
Die Kosten werden weiter gegen Null gehen, aber die Null nicht erreichen. Es gibt bereits Produkte mit einer Kostenquote von 0 Prozent – nicht in Europa, aber in den USA. Dass das nicht mit rechten Dingen zugehen kann ist klar. Die Kampfpreise im Markt funktionieren derart, dass Anbieter noch andere Ertragsquellen haben oder gleichzeitig Produkte mit wesentlich höheren Margen anbieten und so quer subventionieren. Die durchschnittliche vermögensgewichtete Kostenquote von Vanguard-ETFs in Europa liegt zum Beispiel bei 0,12 Prozent, in den USA sogar bei 0,09 Prozent. Zum Vergleich: der US- Branchendurchschnitt liegt bei 0,49 Prozent.
Welche Vorteile machen passive Investments in der Altersvorsorge so attraktiv?
Die geringen Kosten sind ein wichtiger Treiber für langfristige Renditen. Indexprodukte lassen sich daher sehr kosteneffizient darstellen. Dazu kommt die Diversifikation: mit einem Schlag können Sie in tausende Aktien investieren – das ist ein riesiger Vorteil. Und zu guter Letzt die Berechenbarkeit. Sie können sich darauf verlassen, dass Sie langfristig immer die Marktrendite erzielen und werden dabei nicht enttäuscht. Beraterinnen und Berater schätzen zudem planbare Umsätze im Hinblick auf ihre Geschäftsprofitabilität sehr.
Als Nachteile passiver Investments gilt, dass Branchentrends weniger gefolgt werden kann. Welche Rolle spielt dies bei der Altersvorsorge
Themenindizes und Themen-ETFs verfolgen Trends, sind aber aus besagten Gründen wie Diversifikation und Planbarkeit von Renditen weniger ratsam. Indizes, die nach der Marktkapitalisierung gewichtet sind, haben den großen Vorteil, dass sie stets per se in allen Themen investiert sind und gewissermaßen mit dem Markt atmen. Berater sollten eine klare Investmentphilosophie zu verfolgen und dazu stehen. Nur dann kann man seine Kunden am Ball halten. Wenn man sich stattdessen immer wieder neu von gewissen Themen, Ideen und Branchen verleiten lässt, schwankt die Philosophie und damit potenziell auch die Kundenbeziehung und -bindung, was zu Enttäuschungen führen kann.
Welche Indizes stehen bei passiven Investments in der Altersvorsorge im Vordergrund?
Der Fokus sollte darin liegen, langfristig in Kernbausteine anzulegen. Geeignet sind Indizes, die möglichst breit diversifiziert in globale Märkte anlegen, zum Beispiel der FTSE All-World Index, der die gesamte Welt abbildet. Dort sind Industrieländer enthalten, die 90 Prozent des globalen Aktienmarktes ausmachen, aber auch Schwellenländer. Wir arbeiten mit FTSE und MSCI zusammen, wobei FTSE noch breiter diversifiziert ist als MSCI. Weniger geeignet sind Themenindizes. So hat Morningstar die Historie von Themenfonds und ETFs analysiert und dort eine unterdurchschnittliche Entwicklung nach fünf Jahren von rund 30 Prozent festgestellt. Nach zehn Jahren existieren zudem lediglich noch 20 Prozent dieser Fonds. 80 Prozent wurden geschlossen!
Welchen Einfluss hat die Börsenkrise des ersten Halbjahrs 2022?
Aktien- und Anleihenmärkte sind gleichzeitig gefallen. Das ist kritisch und wirft sehr viele Fragen auf, die Beraterinnen und Berater aber über konkretes Planen und proaktives Handeln gezielt auffangen können. Potenzielle Schwankungen an den Börsen sollten bereits in den ersten Kundengesprächen erwähnt werden, bei einem langfristigen Anlagehorizont wie in der Altersvorsorge relativieren sich diese. Auch über Verhaltensforschung zu sprechen ist hilfreich. Das bedeutet, mit dem Kunden darüber zu sprechen, was ihn aus welchen Gründen beunruhigt, damit er erkennt, dass er womöglich gerade sehr emotional reagiert.
Wie sollten Beraterinnen und Berater denn bei Marktkrisen auf Kunden zugehen?
Sie sollten zunächst einmal ein Gefühl dafür entwickeln, wie relevant das Geschehen für ihre Kunden ist. Dann kann zielgerichtet reagiert und informiert werden, zum Beispiel über einen Newsletter. Die richtige Ansprache ist dabei sehr wichtig. Wenn Menschen ängstlich sind, haben sie immer das Bedürfnis etwas zu tun. Wir empfehlen aktuell zwei Mittel: zum einen das Thema Einmalanlage anzusprechen, denn gerade jetzt ist ein guter Zeitpunkt zu investieren. Oder aber anhand konkreter Zahlen ein Ausbalancieren vorschlagen. Hilfreich kann auch sein Vergangenes auszuwerten: anhand des zurückliegenden kurzzeitigen Corona-Crashs‘ den Kunden zu erläutern, wie sie heute dastünden, falls sie in der Krise ausgestiegen wären. Wir verweisen immer auf unsere Grundprinzipien der erfolgreichen Vermögensanlage: Klar definierte Ziele, Diversifikation und möglichst geringe Kosten und Disziplin. Wer sowohl als Kunde wie als Berater dies verinnerlicht, hat gute Voraussetzungen um in einer kritischen Marktlage keine kalten Füße zu bekommen. In der Altersvorsorge sollte man stets langfristig denken.
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